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Wasserkraftwerk Köppelmühle im Lavanttal stößt in neue Leistungsdimensionen vor8 min read

14. November 2022, Lesedauer: 5 min

Wasserkraftwerk Köppelmühle im Lavanttal stößt in neue Leistungsdimensionen vor8 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Ende Oktober des Vorjahres nahm das neue Kleinwasserkraftwerk Köppelmühle in der Kärntner Stadtgemeinde Bad St. Leonhard erstmals die Stromproduktion auf. Da die alte Turbine nach über 90 Jahren Dauerbetrieb ihr technisches Lebensende erreicht hatte, beschloss die Betreiberin Kiendler GmbH eine Erneuerung der gesamten Anlage. Im nun rund ca. 170 m weiter flussabwärts errichteten Krafthaus kommt zur Stromgewinnung eine Kaplan-Maschine mit knapp 200 kW Engpassleistung zum Einsatz. Die im Zuge der Neukonzessionierung stark erhöhte Restwasserabgabe an der Wehranlage geht dank einer Dotier-Turbine nicht für die Stromproduktion verloren. Für die Gewährleistung der ökologischen Durchgängigkeit an der ebenfalls komplett erneuerten Wehranlage wurde ein moderner Fischaufstieg gebaut.

 

Die Kiendler GmbH ist ein familiengeführtes Unternehmen aus der Südoststeiermark mit mehr als 300 Jahren Tradition, das einen weiten Bogen über eine ganze Reihe von Geschäftsfeldern spannt. Diese bestehen im Wesentlichen aus einem Elektrofachhandel, Elektroinstallationen, Verteiler- und Steuerungsanlagenbau, Automatisierungstechnik, Herstellung und Handel von Kürbiskernöl und Mehl sowie dem Betrieb eines Verteilnetzes. Darüber hinaus ist die Kiendler GmbH, die insgesamt rund 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, seit einigen Jahren der größte private Stromhändler Österreichs. Das Versorgungsgebiet umfasst ca. 135 km² im Raum Südost­steiermark, wobei rund 15.000 Kunden aus dem privaten und gewerblichen Sektor mit Strom beliefert werden. In St. Stefan im Rosental hat die Kiendler GmbH zudem 2008 ein 110/20 kV-Umspannwerk in Betrieb genommen.

Steirer setzen auf Wasserkraft
„Zwar kaufen wir den größten Anteil des von uns gelieferten Stroms selber am Markt ein, die Eigenproduktion aus Wasserkraft hat dennoch eine lange Tradition und einen sehr hohen Stellenwert für uns“, sagt Geschäftsführer Paul Kiendler. In Summe betreibt die Kiendler GmbH in der Steiermark und in Kärnten 6 Kleinwasserkraftwerke, dazu kommen noch eine Photovoltaik-Anlage und ein Nahwärmeheizwerk. Im Vorjahr wurde die älteste Anlage der Kiendler GmbH, das Kraftwerk Köppelmühle in der Kärntner Stadtgemeinde Bad St. Leonhard im Lavanttal, komplett erneuert. Die Anlage an der Lavant scheint im behördlichen Wasserbuch erstmals 1896 auf, 30 Jahre später wurde im Krafthaus eine neue Turbine eingebaut. 1993 wurde das Traditionskraftwerk von der Kiendler GmbH erworben. „Nachdem wir das Kraftwerk Köppelmühle übernommen hatten, wurde kurz darauf die von einem Hochwasser beschädigte Wehranlage erneuert. In diesem Zug wurde an dem Wehr auch erstmals eine aus Holz gefertigte Fischtreppe gebaut. Zudem wurde der Generator im Maschinengebäude getauscht und die Steuerung erneuert“, erklärt Paul Kiendler.

Zeit für neues
Nach über 90 Jahren Dauerbetrieb hätte auch die Francis-Turbine ihr technisches Lebensende erreicht, so der Geschäftsführer. Aus diesem Grund entschlossen sich die Betreiber für einen Ersatzneubau der Anlage, der im Frühling des Vorjahres in die Umsetzungsphase überging. Im Zuge dessen wurde die Ausbauwassermenge bei gleichbleibendem Stauziel auf 3 m³/s gesteigert. Die vor dem Neubau freiwillige Restwasserabgabe wurde bei der Neukonzessionierung mit min. 633 l/s festgelegt, wovon ein fixer Anteil zur Dotierung des neuen Fischaufstiegs verwendet wird. Von der vorhandenen Infrastruktur der Anlage blieben ein rund 320 m langer Druckrohrleitungsabschnitt DN1500 aus Stahlrohren und das alte Maschinengebäude, in dem sich der Transformator befindet, erhalten. Das neue Krafthaus wurde ca. 170 m weiter fluss­abwärts errichtet, womit ein Fallhöhenzuwachs von rund einem halben Meter erzielt wurde. Am Standort des alten Maschinengebäudes wurde für die Verlängerung der Rohrleitung ein Übergangstück gesetzt. Die neue, linear verlegte Druckrohrleitung besteht aus GFK-Rohren DN1600 des Typs Flowtite vom Hersteller Amiblu. Die alte Ausleitungstrecke in Form eines offenen Gerinnes in die Lavant bleibt gemäß behördlicher Auflage erhalten. Diese kann von den Fischen nun als Rückzugs- und Laichort genutzt werden.

Bewährte Unternehmen am Zug
Mit der Projektdurchführung beauftragte die Kiendler GmbH im Rahmen der Ausschreibung eine ganze Reihe von bewährten Branchenexperten. Für die Generalplanung des Projekts wurde die steirische InterTechno Engineering GmbH engagiert, die als zuverlässiger Partner in den Sektoren Wasserbau und Siedlungswasserwirtschaft über die Bundesgrenzen hinweg einen hervorragenden Ruf genießt. Der Zuschlag zur Umsetzung der gesamten Hoch- und Tiefbauarbeiten inklusive Druckrohrverlegung wurde der Gottfried Guster GmbH erteilt. Das im steirischen Bezirk Murau ansässige Unternehmen kann im Kleinwasserkraftbereich auf eine Vielzahl erfolgreicher Projekte verweisen. In bautechnischer Hinsicht stellte beim Neubau des Kraftwerks Köppelmühle laut Paul Kiendler die Herstellung der Druckrohrleitung eine große Herausforderung dar. „Die Verlegung der großdimensionierten Rohre musste unter äußerst beschränkten Platzverhältnissen zwischen dem offenen Rückleitungsgerinne und der Lavant bewältigt werden.“ Zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit wurde an der Wehranlage eine Fischaufstiegshilfe in Form eines technischen Vertical-Slot-Pass errichtet. Ausgeführt wurde der nun dem Stand der Technik entsprechende Fischaufstieg mit dem System enature® von der MABA Fertigteilindustrie. Zur Dotation werden konstant 153 l/s in den Fischpass geleitet.

 

Restwasser effektiv genutzt
Den gesamten Stahlwasserbau an der Wehranlage inklusive Restwasserturbine lieferte die ebenfalls aus der Steiermark stammende Mayr­hofer Maschinenbau GmbH. Zum Aufstauen der Lavant fertigten die Wasserkraft­allrounder eine 9 m breite Wehrklappe in Fischbauchausführung mit einseitigem hydraulischem Antrieb. Sämtlich Absperr- und Regulierorgane wie der Grundablassschütz inklusive Spülklappe sowie die Einlauf- und Sandspülschützen wurden ebenfalls von Mayr­hofer ausgeführt. Am Einlaufbereich der Wehranlage wurde ein horizontaler Schutzrechen mit 20 mm Stababstand montiert. Für optimale Zuflussbedingungen sorgt eine pegelgeregelte Rechenreinigungsmaschine, deren Putzharke zuverlässig Geschwemmsel vom Rechenfeld entfernt. Das entfernte Reche­ngut wird über die Spülklappe automatisiert in die Restwasserstrecke abgegeben, wodurch ein ansonsten notwendiger Entsorgungsaufwand entfällt. Um das wertvolle hydroenergetische Potential der Restwassermenge für die Stromgewinnung nutzbar zu machen, lieferte Mayrhofer für die Wehranlage eine Restwasserturbine. Die Durchström-Turbine besitzt ein Schluckvermögenvon maximal 750 l/s und kann somit auch bei Wartungsarbeiten am Fischaufstieg die gesamte Restwasserdotation bzw. Überwassersituationen effektiv abarbeiten. Im Normalfall stehen der auf eine nutzbare Fallhöhe von 2,2 m ausgelegten Turbine 480 l/s zur Verfügung. Bei darüber hinaus gehendem Wasserdar­gebot schafft die Turbine mit sehr guten Wirkungsgraden eine Eng­passleistung von ca. 12 kW. Der einfache Aufbau der sehr kom­pakten Turbineneinheit mit ihrem 1-zelligen Aufbau gewährleistet bei ge­ringem Wartungsaufwand eine effektive Stromproduktion. Dazu sorgt das Lauf­rad-De­sign konstruktionsbedingt dafür, dass dieses­ automatisch von angespültem Ge­­schwemmsel befreit wird. Die Übersetzung der langsam drehen­den Turbine zum ebenfalls horizontalachsigen Asynchron-Generator erfolgt durch ein zwischengeschaltetes Getriebe. Im Regeljahr kann die Restwasserturbine rund 60.000 kWh Ökostrom erzeugen.

Kaplan-Turbine made in Germany
Das neue Herzstück des Kraftwerks Köppelmühle stammt vom süddeutschen Spezialisten für Niederdruckanlagen Watec-Hydro GmbH. Diese lieferten eine doppeltregulierte Kaplan-Turbine mit vertikaler Welle der Baureihe KSDD-4-800. Wie die Typenbezeichnung verrät, hat das Laufrad einen Durchmesser von 800 mm und besteht aus vier Flügeln. Bei einer Bruttofallhöhe von 7,6 m und einer Ausbauwassermenge von 3 m³/s schafft das Kraftpaket unter Volllast eine Engpassleistung von knapp 200 kW. Dank der doppelten Regulierbarkeit mittels Leitapparat- und Laufradflügelverstellung erreicht die Turbine auch bei geringem Wasserdargebot sehr gute Wirkungsgrade. Das mit ökologisch abbaubarem Öl gefüllte Laufrad treibt mit exakt 500 U/min einen vertikal direkt mit der Turbinenwelle gekoppelten Synchron-Generator an. Ausgelegt wurde der vom oberösterreichischer Hersteller Hitzinger gefertigte Generator auf eine Spannung von 400 V und eine Nennscheinleistung von 230 kVA. Komplettiert wurde der Watec-Hydro­ Lieferumfang durch die Saugrohr- und Krümmerschalung aus Holz, die Absperrklappe DN1400 in Fallgewichtsausführung und den Bypass-Stutzen aus Stahl.

Automatisierung vom Betreiber
Das gesamte elektrotechnische Equipment der Anlage inklusive Verkabelung und Leittechnik wurde von der Kiendler GmbH in Eigenregie ausgeführt. „Die Automatisierungstechnik hat sich im Laufe der Jahre zu einem unserer wichtigsten wirtschaftlichen Standbeine entwickelt. Unser Hauptgebiet liegt zwar eher im Agrarbereich, beispielsweise für Mischfutterwerke und Siloanlagen – die Steuerungs- und Regeltechnik für Wasserkraftwerke zählt aber natürlich auch zu unserem Portfolio“, so Paul Kiendler. Die Leittechnik für das Kraftwerk Köppelmühle basiert auf der SPS-Steuerung SIMATIC S7 von Siemens, welche rund um den Globus zum Standard in der Anlagentechnik zählt. Grundsätzlich orientiert sich die Regelung der Turbine am Oberwasserpegel, die digitale Kommunikation zwischen Krafthaus und Wehranlage erfolgt über ein Datenkabel. „Unsere Steuerung inkludiert die automatisierte Speicherung und Auswertung aller zentralen Anlagendaten. Visuell dargestellt werden die Daten anhand übersichtlicher Kurvendiagramme. Die wichtigsten Werte des Kraftwerks wie Leistung, Erzeugung, Turbinenöffnung, etc. werden an unsere Leitwarte übertragen. Aus der Ferne überwachen und regeln wir die Anlage über eine sichere VPN-Verbindung“, erklärt der Geschäftsführer.

Leistung fast verdoppelt
Etwa sechs Monate nach Baubeginn konnte Ende Oktober des Vorjahres der neue Maschinensatz im Krafthaus zum ersten Mal angedreht werden. An der Wehranlage erfolgte die Inbetriebnahme der Restwasserturbine im heurigen Februar. „Abgesehen von einigen Verzögerungen ist das Projekt im Großen und Ganzen reibungslos über die Bühne gegangen. Die ersten Betriebserfahrungen mit der neuen Turbine sind sehr positiv verlaufen, diese läuft störungsfrei und ruhig. Zusammen mit der Restwasserturbine konnte die Engpassleistung des Kraftwerks von vormals 110 kW auf rund 200 kW nahezu verdoppelt werden. Damit einhergehend steigt natürlich auch die Erzeugungskapazität erheblich“, resümiert Paul Kiendler. Die Stromproduktion des Kraftwerks Köppelmühle, in dessen Neubau rund 1,3 Millionen Euro investiert wurden, wird von der österreichischen Abwicklungsstelle für Ökostrom (OeMAG) für einen Zeitraum von 13 Jahren mit einem geförderten Tarif vergütet. Im Regeljahr kann das von Grund auf erneuerte Kraftwerk an der Lavant rund 1.000.000 kWh nachhaltig erzeugten Strom liefern.

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