Technik

Akustische Durchflussmessung mit mehreren Pfaden wird State of the Art6 min read

31. Oktober 2022, Lesedauer: 4 min

Akustische Durchflussmessung mit mehreren Pfaden wird State of the Art6 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Moderne Wasserkraftnutzung ohne hochexakte Durchflussmesssysteme wäre heute nicht vorstellbar. Die damit gewonnenen Daten liefern die Grundlage für diverse steuerungs- oder sicherheitstechnische sowie auch ökologische und optimierungsrelevante Belange. Dabei haben gerade akustische Durchflussmesssysteme auf Ultraschallbasis in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung erfahren. Speziell die Nutzung mehrerer akustischer Signale und die damit verbundene Möglichkeit der Selbstdiagnose haben durch zahlreiche Vorteile, wie etwa Exaktheit, Verschleißfreiheit, geringe Betriebs- und Wartungskosten oder auch Langzeitstabilität, zahlreiche Anwender überzeugt.

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Die Verfügbarkeit von Wasser in quantitativer und qualitativer Hinsicht ist ein Schlüsselfaktor für die Wirtschaft jeder Region der Welt. Neben der häuslichen Nutzung wird Wasser ebenso für die landwirtschaftliche Bewässerung, als Medium für industrielle Prozesse und als Fluid zur Energieerzeugung bzw. als Kühlmittel verwendet. In Anbetracht der Tatsache, dass die global verfügbare Wassermenge konstant ist, die landwirtschaftliche Bewässerung 69% und die Industrie inkl. Energieerzeugung 18% des Wassers für den menschlichen Gebrauch in Anspruch nehmen, wird die Nachfrage nach Süßwasser durch das Bevölkerungswachstum und die zunehmenden Lebensstandards die vorhandenen Wasserressourcen unweigerlich weiter belasten. Studien prognostizieren ein Defizit zwischen Verbrauchern und dem weltweiten Wasserdargebot von -40% allein bis zum Jahr 2030 (Quelle: The 2030 Water Resources Group). Neben der landwirtschaftlichen Bewässerung wird für die Industrie- und Energieproduktion ein starker Anstieg der Wassernachfrage vorausgesagt. Die beschleunigte Urbanisierung und der Ausbau der kommunalen Wasserversorgungs- und Abwassersysteme tragen zusätzlich zu einer steigenden Nachfrage bei. Die Konkurrenz um Wasserressourcen wird hierdurch insbesondere zwischen der landwirtschaftlichen Bewässerung und der Industrie zunehmen, da die landwirtschaftliche Bewässerung das Süßwasser ineffizient (45%) nutzt.

IN VIELEN ANWENDUNGEN GEFRAGT
Hochgenaue Durchflussmessungen werden in allen Bereichen an Bedeutung gewinnen: Nicht nur in der landwirtschaftlichen Bewässerung, sondern auch im Bereich der Indus-
trie zur Prozessoptimierung sowie zur Abrechnung der Einleitung in das kommunale Abwassernetz, im Bereich der Energieerzeugung bei der Verwendung von Kühlwasser, im Bereich der Wasserkraft und nicht zuletzt im Bereich Abwasser, zur Stauraumbewirtschaftung und der Aufbereitung für die Bewässerung von Stadtgrün, für die Straßenreinigung und für häusliches Betriebswasser.

• Ganz egal wo: Hochgenaue Durchflussmessungen helfen, bestehende Systeme zu verstehen, die tatsächlichen Wasserverluste in Kanälen oder Leitungen zu lokalisieren, Prozesse zu optimieren, Versorgungsnetze zu steuern und eine faire Abrechnung zu gewährleisten.

• Es reicht nicht mehr, ein Durchflussmesssystem zu installieren, das in einem Labor unter bestimmten Bedingungen getestet wurde. Vielmehr werden heute Messgeräte benötigt, die ohne Kalibrierung vor Ort und unter den dort herrschenden Bedingungen eine hohe Messgenauigkeit erzielen.

• Jeder Tropfen zählt, damit in Zukunft alle Nutzer genügend Wasser haben!

AKUSTISCHE DURCHFLUSSMESSUNGEN
Akustische Durchflussmesssysteme (Ultraschall) haben in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung erlebt. Insbesondere die Einführung mehrerer akustischer Pfade sowie die Möglichkeit der Selbstdiagnose führten zu einer hohen Akzeptanz im Markt. Mehrere akustische Pfade erfassen die Strömungsgeschwindigkeit im Querschnitt an mehreren Positionen und liefern so eine sehr hohe Messgenauigkeit. Bei gestörten Strömungsprofilen können die sonst üblichen Ein- und Auslaufstrecken reduziert werden. Ein wichtiger Gesichtspunkt, da bestehende Bauwerke mit Durchflussmesssystemen nachgerüstet werden müssen und das verfügbare Platzangebot stark eingeschränkt ist. Konstruktive Erweiterungen des Bauwerks können so vermieden werden, was die Gesamtinvestition für eine Durchflussmessung deutlich senkt.

Systeme mit mehreren akustischen Pfaden sind heute als direkte Messmethode im Bereich der Wasserkraft zur Überprüfung der Effektivität von Turbinen eingeführt (Fehler ≤ ±1%). Dieser Standard ist in 2 Normen bzw. Richtlinien definiert:

• ASME PTC 18-2020, Hydraulic Turbines
and Pump-Turbines, Performance Test Codes

• CEI/IEC 41:1991, Filed acceptance tests to determine the hydraulic performance of hydraulic turbines, storage pumps and pump-
turbines

Hochgenaue akustische Durchflussmesssysteme werden heute in zwei Varianten angeboten. Es gibt Inline-Systeme und Insertion-Systeme. Aufgrund ihres generellen Einsatzbereiches und ihrer hohen Messgenauigkeit wächst der jährliche Markt von akustischen Systemen (neben Coriolis Durchflussmessgeräten) stärker als der Markt aller anderen physikalischen Prinzipien wie Differenzdruck, magnetisch-induktiv, Turbinenrad, Wirbel und anderen.

INSERTION-SYSTEME MIT MEHREREN AKUSTISCHEN PFADEN
Insertion Systeme werden bevorzugt in großen Rohrleitungen (>DN400) eingesetzt. Hierbei werden die Sensoren je nach Anzahl der akustischen Pfade an bestimmten Positionen bei genügend dicker Rohrwandstärke entweder direkt oder bei geringer Rohrwandstärke über einen zusätzlichen Schweißstutzen eingeschraubt. Gegenüber dem System Inliner kann keine Kalibrierung des Gesamtsystems auf einem Prüfstand erbracht werden. Vielmehr basiert die Messgenauigkeit auf der Güte der Installation und allen Parametern, die projektspezifisch vor Ort aufgenommen und im System hinterlegt werden müssen. So sind  die akustischen Pfadlängen, die Winkel, die Positionen der Sensoren millimetergenau zu messen und zu hinterlegen. Auch der Rohr-durchmesser ist präzise an verschiedenen Querschnitten zu erfassen. Die Eindringungsfehler der Sensoren sind je nach Hersteller zu quantifizieren und bei der Berechnung des Durchflusses zu berücksichtigen. Zahlreiche Installationen haben bewiesen, dass mit 8 akustischen Pfaden und einer geraden Rohrstrecke von 5*D oberhalb und 1*D unterhalb des Messquerschnittes Fehler ≤ ±0,5% erzielt werden. Bei längeren geraden Rohrstrecken oder dem zusätzlichen Einsatz weiterer Messpfade kann der Fehler ≤ ±0,15% betragen.

Durchflussmessgeräte, die mit Ultraschall arbeiten, zeichnen sich durch eine Vielzahl von Eigenschaften aus:

• das Messprinzip ist für Flüssigkeiten, Gas und Dampf anwendbar

• die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit ist unabhängig von den Fluideigenschaften wie z.B. Viskosität, Temperatur, Dichte und elektrischer Leitfähigkeit

• es ragen keine beweglichen Teile in das Messrohr

• die Systeme sind verschleißfrei

• es entstehen geringe Betriebs- und Wartungskosten

• es liegt eine exzellente Langzeitstabilität vor

• es ist keine Neukalibrierung erforderlich

• es besteht eine hohe Zuverlässigkeit durch redundante Messpfade
• es wird ein sehr großer dynamischer Messbereich abgedeckt

• kleinste und sehr große Durchflüsse können ohne zusätzliche Einschnürung des Querschnitts präzise gemessen werden, was den Druckverlust minimiert und so Energie in Form von Pumpleistung reduziert

SELBSTDIAGNOSE ERMÖGLICHT
Der wesentliche Vorzug besteht jedoch darin, dass bei mehreren akustischen Pfaden die Fließgeschwindigkeit an verschiedenen Positionen im Querschnitt gemessen wird und damit Informationen über das gestörte oder nicht gestörte Geschwindigkeitsprofil vorliegen. Diese Informationen werden genutzt, um das Volumen mit Hilfe modernster Integrationsverfahren zu berechnen. Durchflussmesssysteme mit Ultraschall können neben der Fließgeschwindigkeit auch noch weitere Parameter wie z.B. die Schallgeschwindigkeit im Fluid ermitteln und so eine Art Selbstdiagnose erstellen. Abweichungen zwischen den einzelnen Messpfaden werden so unabhängig von der Fließgeschwindigkeit erkannt und Hinweise zu einer möglichen Wartung können gegeben werden. Überzeugungsarbeit muss allerdings in der Akzeptanz eines Systems geleistet werden, dessen Sensoren in die bestehende Rohrleitung eingebaut werden. In Sachen zertifizierter Messgenauigkeit vertrauen Kunden heute einem fertigen Rohrstück mit Zertifikat vom Prüfstand eher, als einem System, wo die Sensoren vor Ort ohne Kalibrierung eingebaut werden, also nicht auf einen Prüfstand waren. Dass die zertifizierte Messgenauigkeit auf
einem Prüfstand erheblich von der tatsächlichen Messgenauigkeit am Einbauort abweichen kann, wird vielen Anwendern heute jedoch immer bewusster.

Autor: Dr.-Ing. Jürgen Skripalle, Senior VP Acoustic Flow Measurement (AFM) GWF Technologies GmbH

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