Technik

Der StreamDiver erobert größere Gefällstufen6 min read

11. April 2022, Lesedauer: 4 min

Der StreamDiver erobert größere Gefällstufen6 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Kaum eine andere Entwicklung hat am Turbinensektor in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit erregt wie der StreamDiver aus dem Hause VOITH Hydro.

Dank eines patentierten Maschinenkonzepts, das auf Einfachheit, Umweltfreundlichkeit und Robustheit setzt, können damit neue Wasserkraftstandorte erschlossen werden. Der große Vorteil dabei: Investitions- und Betriebskosten können sehr niedrig gehalten werden. Bislang   wurde der StreamDiver, der erstmals 2009 auf den Markt kam, für Low-Head-Standorte konzipiert. Nun sind die Ingenieure von VOITH drauf und dran, eine neue Variante für Fallhöhen bis zu 16 m zu entwickeln. An einem Prüfstand in Traismauer an der Traisen wird der erste Prototyp gerade auf Herz und Nieren getestet.

 

Die Reduktion komplexer Technik war ein bewusst gewählter Weg, der für die Entwicklung des StreamDivers von Anfang an eingeschlagen wurde. Im Endeffekt konnte damit eine kompakte Baugröße einerseits und eine höchst wartungsfreundliche und robuste Maschineneinheit anderseits erreicht werden, die sich in den letzten Jahren Schritt für Schritt am globalen Wasserkraftmarkt etabliert hat. Seit VOITH 2014 das patentierte System des StreamDivers auf den Markt gebracht hat, sind 32 Maschinen in acht Ländern ausgeliefert worden, 15 befinden sich aktuell in Planung bzw. baldiger Fertigung. Die Kunden schätzen die einfache Bauart mit dem starren Propeller, dem ebenfalls starren Leitapparat und den wassergeschmierten Lagern. Gerade letztgenannter Aspekt hat mittlerweile den Einsatz an Standorten ermöglicht, wo zuvor aufgrund höchster ökologischer Anforderungen keine Wasserkraftnutzung in Frage gekommen war. Da der StreamDiver im Regelbetrieb ein völlig unterirdisches – daher auch äußerst leises – Kraftwerk darstellt, das mit geringstem Bauaufwand in bestehende Querbauwerke integriert werden kann, erfreut es sich zusehends größerer Beliebtheit. War die Anwendung zu Beginn speziell für Low-Head-Standorte, also für Fallhöhen zwischen 2 und 8 Meter vorgesehen, gehen die Entwicklungen bei VOITH mittlerweile auch in Richtung größerer Fallhöhen. Aktuell arbeiten zwei Ingenieure vom VOITH Standort St. Georgen in Niederösterreich an einem neuen Prototyp für bis zu 16 Meter.

Neuer Prüfstand in Traismauer
„2020 haben wir uns dazu entschieden, den Betriebs- bzw. Einsatzbereich des Stream-   Divers zu erweitern. Genau genommen, soll mit dieser Maschineneinheit ein Sprung auf Fallhöhen bis zu 16 Meter möglich werden“, erklärt Volker Rabl, Leiter des Bereichs Engineering bei Voith Hydro. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jürgen Krumböck hat er dazu nicht nur die entscheidenden theoretischen Vorarbeiten geleistet, sondern auch einen Versuchsstand in Niederösterreich etabliert, der sich für den Praxistest des neuen Prototypen als unerlässlich erweist. „Wir sind Herrn Kurt Merkl vom Wehrverband Herzogenburg wirklich sehr dankbar, dass er uns an seinem Kraftwerksstandort den Prüfstand ermöglicht. Der technikbegeisterte Wasserkraftbetreiber besitzt selbst in seinem Krafthaus noch eine 100 Jahre alte Voith-Turbine. Er hat zugestimmt, dass wir hier einen Prüfstand aufbauen, an dem wir die speziellen Wasserlager unter realen Bedingungen Tag und Nacht testen können“, sagt Volker Rabl. Per Remote haben die beiden Ingenieure permanent Zugriff auf sämtliche Parameter und den Status quo der Anlage. Dabei geht es etwa um die Leistung, die Wassertemperatur und vor allem um den aktuellen Verschleißzustand.

Augenmerk auf die Temperatur
Speziell die Temperaturen des Triebwassers spielen im Hinblick auf die wassergekühlten Lager eine entscheidende Rolle. Volker Rabl dazu: „Die Tragfähigkeit der Lager hängt stark von der Wassertemperatur ab. An unserem Prüfstand haben wir die Möglichkeit auch die Temperaturen zu variieren und damit zu testen. Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen des Projekts war, dass auch bei Wassertemperaturen von über 30° C die Fallhöhe von 16 Meter erreichbar war. Und das konnten wir letztlich auch beweisen.“
Im Vorfeld wurden von den beiden Ingenieuren numerische Simulationen angestellt, um die Belastung und Verformung der Lagerpads eruieren zu können. „Grundvoraussetzung für das Funktionieren ist, dass sich in einem hydrodynamischen Gleitlager immer ein keilförmiger Spalt einstellt – und dies unter allen Belastungen. Diese Funktion muss unter allen Umständen gesichert sein, auch weil sich im Triebwasser viele Sedimente befinden, die schlimmstenfalls zum Versagen gewisser Mechanismen führen können.“ Grundsätzlich, weiß der Fachmann, sind die wassergeschmierten Lager des StreamDivers, der ja rundum von Wasser umströmt ist, im Betrieb sehr sicher. Die Möglichkeit, dass eventuell Luft eingezogen werden könnte – was durchaus zu problematischen Reaktionen führen würde – kann ausgeschlossen werden.

Lagerlebensdauer mindestens 10 Jahre
Weitere entscheidende Schritte in der Weiterentwicklung des StreamDivers sieht Volker Rabl darin, dass man vor allem für eine optimale Wasserzirkulation in der Maschine sorgen konnte. „An der Lagerung mussten dann im Grunde nur ein paar kleine Feinheiten angepasst werden. Was allerdings dabei eine wichtige Rolle gespielt hat, ist die Materialauswahl“, führt Volker Rabl weiter aus, ohne dabei verständlicherweise ins Detail zu gehen. Am Prüfstand in Traismauer gehen die Entwickler natürlich auch der Frage nach: Wie lange ist denn die Lebensdauer der Lager unter diesen Bedingungen. Dabei lassen die jeweiligen Verschleißwerte sehr gut auf die tatsächliche Lebensdauer der Bauteile schließen. „Aktuell gehen wir von einer Lebensdauer von 10 Jahren bei den Lagern des StreamDivers aus. Aus den aktuellen Hochrechnungen wissen wir aber, dass wir diesen Wert auch bei Anlagen mit stark sedimenthaltigem Triebwasser übertreffen werden“, erklärt Rabl und ergänzt: „Wenn der Wechsel auf neue Pads tatsächlich erfolgen muss, dann geht das sehr unproblematisch vonstatten.“

Leistungsdeckel bleibt bei 2 Megawatt
Die Lagerung hat bereits Marktreife erlangt. Der StreamDiver für Fallhöhen von 16 m steht davor. Die Frage, ob man mit dieser Maschine auch in höhere Leistungsdimensionen vordringe, verneint Volker Rabl: „Größere Leistungen wären zwar grundsätzlich seitens der Lagerung möglich, tragen aber dem Gesamtkonzept des modular aufgebauten StreamDivers nicht mehr Rechnung. Daher wollen wir es beim Leistungssprung von 1,5 auf 2 MW belassen und sie prinzipiell bei 2 MW pro Unit gedeckelt halten.“ Er verweist darauf, dass es auch bei der aktuellen Anzahl unterschiedlicher Baugrößen, also 7 unterschiedliche Laufraddimensionen von 790 mm bis 1695 mm, bleiben wird. Der Fachmann räumt ein, dass die Drehzahlen teilweise höher werden können: „Aber das ist im Grunde kein Problem, weil das Wasserlager sehr unempfindlich gegenüber hohen Drehzahlen ist. So geben wir die Maschine auch für 12 Stunden in Durchgangsdrehzahl frei.“ Parallel zur Entwicklung einer größeren Fallhöhentauglichkeit hat man noch ein weiteres Fortschrittsprojekt am StreamDiver im Fokus: Aktuell wird an einer doppeltregulierten Maschinenvariante – also einer Version mit verstellbarem Leitapparat und variabler Drehzahl gearbeitet -, um ein wechselndes Wasserdargebot optimal abarbeiten zu können. Der erste Prototyp soll schon nächstes Jahr in Betrieb genommen werden.

Weg frei für ölfreie Maschinen
Gerade die Tatsache, dass der StreamDiver völlig öl- und fettfrei läuft, stellt einen wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung der Wasserkraft dar. VOITH hat das patentierte System der wassergeschmierten Führungslager mittlerweile auch für seine vertikalen Kaplanturbinen übernommen. Mit dieser Möglichkeit können Kraftwerke mit immer größ­erer Leistung vollständig frei von umweltschädlichen Emissionen aus Ölen und Fetten betrieben werden. Es gibt weltweit immer noch eine riesige Menge an ungenützten Dämmen und Querbauwerken, die dem niedrigen Fallhöhenbereich zuzuordnen sind. Dank des StreamDivers könnten sie in Zukunft auf relativ kostengünstigem Weg für die Stromgewinnung genutzt werden. Projekte, die zuvor unwirtschaftlich waren, könnten dank der geringen Baukosten nun erstmalig wirtschaftlich werden.

 

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