Technik

E-Technisches Retrofitprogramm macht Tiroler Kraftwerk Salvesenbach fit für die Zukunft7 min read

28. März 2024, Lesedauer: 6 min

E-Technisches Retrofitprogramm macht Tiroler Kraftwerk Salvesenbach fit für die Zukunft7 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Innerhalb eines Monats wurde im heurigen Frühjahr beim Wasserkraftwerk Salvesenbach der Stadtwerke Imst die Elektro- und Regelungstechnik auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Verantwortlich für die Modernisierung waren die Automatisierungsexperten der Schubert CleanTech GmbH, die ihre Kompetenz im Revitalisierungssektor einmal mehr unter Beweis stellen konnte. Die kooperativ von Schubert und den Stadtwerken Imst durchgeführte Modernisierung betraf im Prinzip die wesentliche elektro- und leitechnische Anlageninfrastruktur am Entsander, dem Wasserschloss und natürlich im Maschinengebäude, die seit der Erstinbetriebnahme 1989 im Einsatz war. Dank des umfassenden Retrofitprogramms ist das Kraftwerk im Tiroler Oberland bestens gerüstet für einen zuverlässigen Betrieb in den kommenden Jahrzehnten.

Kraftwerk Salvesen_Wasserschloss
Das Wasserschloss der Anlage wurde am Portal des ca. 1,3 km langen Stollens angelegt.
© Stadtwerke Imst

Der Betrieb von sieben Wasserkraftwerken zeigt den hohen Stellenwert, den die Stromerzeugung aus der erneuerbaren Ressource Wasser bei den Stadtwerken Imst besitzt. Insgesamt werden von den Stadtwerken rund 5.000 Haushalte in Imst und den umliegenden Gemeinden mit Energie versorgt. Vervollständigt wird das Portfolio des kommunalen Dienstleisters durch die Trinkwasserversorgung, eine eigene Installationsabteilung und ein Elektrofachgeschäft sowie die Bereitstellung von Internet-, Telefon- und TV-Diensten. Die Gründung der Stadtwerke Imst geht auf das im Jahr 1898 verliehene Stadtrecht zurück, mit der auch die rechtlichen Voraussetzungen für den Bau eines eigenen Elektrizitätswerks geschaffen wurden. Bereits 1901 konnte mit einem neu errichteten Kleinkraftwerk, dessen Turbine bis zu 90 PS Engpassleistung erreichte, Strom für die ans Netz angeschlossenen Verbraucher produziert werden. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts, in dem der öffentliche Energiebedarf ständig nach oben ging, sollten auch die Erzeugungskapazitäten der Stadtwerke Imst durch die Errichtung weiterer Wasserkraftwerke kontinuierlich ausgebaut werden.

Kraftwerk Salvesenbach Krafthaus Mosaik Vor Umbau 122 x 81 mm
Der Schubert-Divisionsleiter Erzeugung Christian Schwarzenbohler (li.) mit Vertretern der Stadtwerke Imst bei einer Besprechung vor der Modernisierung des Kraftwerks.
© Schubert CleanTech

Stadtwerke setzen auf Eigenkompetenz und zuverlässige Partner
Im Gespräch mit zek HYDRO betont der Abteilungsleiter für den Bereich Strom/Erzeugung Markus Schiffmann, dass viele Revitalisierungsprojekte bei den Erzeugungsanlagen von den Stadtwerken Imst selbst durchgeführt werden. „Unser Team besteht aus Technikern mit jahrzehntelanger Erfahrung, die mit den unterschiedlichen Kraftwerken bestens vertraut sind. Erst Anfang Oktober wurde beim Kraftwerk Stapf, an dem neben den Stadtwerken noch zwei private Betreiber beteiligt sind, eine elektrotechnische Erneuerung in Eigenregie durchgeführt. Bei umfangreicheren Projekten wie der im Frühjahr erfolgten Modernisierung des Kraftwerks Salvesenbach haben wir uns Unterstützung von einem langjährigen Partner geholt.“ Gemeint ist damit die im niederösterreichischen Ober-Grafendorf ansässige Schubert CleanTech GmbH, die schon 1996 das damals neu gebaute Wasserkraftwerk Starkenbach der Stadtwerke Imst ausgerüstet hatte. Auch in den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten waren die Automatisierungsspezialisten von Schubert an einer ganzen Reihe von Wasserkraftprojekten der Stadtwerke Imst beteiligt.

Kraftwerk Salvesenbach Ersatzteile 122 x 81 mm
Die hohe Sedimentfracht des Salvesenbachs führt unweigerlich zu hohem Materialverschleiß an den mechanischen Turbinen-Komponenten.
© Stadtwerke Imst

Gebirgsbach bringt hohe Sedimentfracht
Beim schwarzstart- und inselbetriebsfähigen Kleinwasserkraftwerk Salvesenbach handelt es sich um eine 1989 fertiggestellte Anlage, die nach dem klassischen Ausleitungsprinzip errichtet wurde. Das Kraftwerk nutzt den namensgebenden Salvesenbach, der aus dem Zusammenfluss des Maldon- und Alpeilbachs entsteht. An der Vereinigung der beiden Bäche befindet sich auch die Wasserfassung, für deren Erschließung- und Zugänglichkeit ein Stollen aus dem Berg gebrochen wurde. Der ca. 1.300 m lange Stollen mit rund 10.000 m³ Speichervolumen vereint mehrere Funktionen. So fließt das zur Stromgewinnung ausgeleitete Triebwasser zunächst durch einen am Fußbereich angelegten Freispiegelkanal und geht am Stollenportal schließlich in eine zum Krafthaus führende, ca. 1.800 m lange Druckrohrleitung über. An der Seite des Stollens verläuft eine Trinkwasserleitung mit 200 l/s Durchflusskapazität, die von der Fassung der Alpeilquellen herführt und in einem eigenen Trinkwasserkraftwerk zur Stromgewinnung genutzt wird. Die Ausleitung von maximal 1.000 l/s für das Kraftwerk Salvesenbach erfolgt mit einem Tirolerwehr, das bei Starkregen- und Hochwasserführung mit einer hohen Geschiebefracht konfrontiert ist. Nach dem Tirolerwehr fließt das Triebwasser zu dem ebenfalls im Stollen errichteten Ent­sanderbecken. Markus Schiffmann weist darauf hin, dass die beständige Sedimentfracht des Gebirgsbachs erhebliche Belastungen für die Anlageninfrastruktur, im Speziellen für die 2-düsige Pelton-Turbine in horizontalachsiger Ausführung mit 3.000 kW Engpassleistung, mit sich bringt. „Das Turbinen-Laufrad musste aufgrund von Materialverschleiß schon mehrfach getauscht werden, im Schnitt benötigt die Maschine etwa alle zehn Jahre ein neues Laufrad. Auch das Entsanderbecken an der Wasserfassung wurde zum Schutz gegen Abrasionen nachträglich mit hoch beanspruchbarem Hardox-Stahl ausgekleidet.“

Kraftwerk Salvesenbach Krafthaus Steuerschrank Nach Umbau
Steuerschrank im Krafthaus nach dem Umbau.
© Schubert CleanTech
Kraftwerk Salvesenbach Krafthaus Steuerschrank Vor Umbau
Steuerschrank im Krafthaus vor dem Umbau.
© Schubert CleanTech

E-Technik umfassend modernisiert
Bei der jüngsten Revitalisierung des Kraftwerks Salvesenbach stand die Erneuerung der über 30 Jahre alten Elektrotechnik im Fokus. „Die wesentlichen Regelungs- und Leittechnikkomponenten waren seit 1989 im Einsatz. Für viele dieser elektronischen Bauteile gibt es in der Gegenwart keine Ersatzteile mehr bzw. fehlen auch die Fachleute, die im Umgang damit vertraut sind. Wenn solche Komponenten schließlich den Geist aufgeben, kann das in weiterer Folge einen sehr langen Ausfall des Kraftwerks bedeuten, was sich dann natürlich wiederum negativ auf die Erzeugungsbilanz auswirkt“, erklärt Markus Schiffmann. Um die elektrotechnische Ausrüstung der Anlage auf den modernen Stand der Technik zu bringen, erstellten die Stadtwerke gemeinsam mit den Experten von Schubert ein umfassendes Revitalisierungskonzept. Im Prinzip umfasste die Modernisierung die gesamte elektronische und leittechnische Infrastruktur des Kraftwerks. So wurden beim Entsander und dem Wasserschloss die bestehenden Siemens Simatic S5-Steuerungen durch Mitsubishi Q-Steuerungen ersetzt und zusätzliche Be­diengeräte von Mitsubishi installiert. Außerdem wurden im Entsander die Schottersonden zur Messung der Geschiebeablagerungen getauscht. Auch im Maschinengebäude, das sich auf dem Gebiet der Imster Nachbargemeinde Tarrenz befindet, wurde die alte­­ Siemens-Steuerung durch ein Mitsubishi-­System und ein neues Bediengerät ersetzt. „Die Verwendung von Mitsubishi-Komponenten war eine ausdrückliche Anforderung der Stadtwerke. Wir haben in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit Mitsubishi-Steuerungen gesammelt, die wir bei anderen Kraftwerken und der Wasserversorgung einsetzen und auch selbst programmieren. Somit war es für uns selbstverständlich, auch beim Kraftwerk Salvesenbach wieder auf den japanischen Hersteller zu setzen“, bekräftigt Markus Schiffmann.

Kraftwerk Krafthaus Salvesenbach Mosaik Nach Umbau 122 x 89 mm
Die Funktionalität des Visualisierungsmosaiks der Anlage blieb beim Retrofitprogramm von Schubert erhalten.
© Schubert CleanTech

Fertig in vier Wochen
„Ebenfalls ausgetauscht wurden der elektrische Generator- und der Netzentkopplungsschutz sowie die automatische Synchronisierung. Darüber hinaus wurden die neuen Komponenten an den vorhandenen Turbinenregler angebunden und die Datenübergabe an die bestehende Leittechnik hergestellt. Die komplette Umbauplanung, Programmierung und Inbetriebnahme war ebenso Teil unseres Leistungsumfangs“, erklärt der Schubert Projektleiter Markus Kerschner. Markus Schiffmann betont den kurzen Zeitraum, in dem die umfassende Revitalisierung realisiert werden konnte: „Umgesetzt wurde das Projekt in der Niederwasserperiode zwischen März und April 2023, wobei die Installations- und Verkabelungsarbeiten in Eigenregie erfolgten. Eigentlich war die Durchführung bereits im Herbst des Vorjahres geplant, ­damals war die Verfügbarkeit vieler rege­lungstech­nischer Komponenten durch globale Lieferschwierigkeiten allerdings sehr eingeschränkt, weswegen das Projekt um ein halbes Jahr verschoben werden musste. Umgesetzt werden konnte das Projekt schließlich innerhalb von nur vier Wochen, was angesichts des Projektumfangs durchaus als sportlich bezeichnet werden darf.“

Kraftwerk Salvesenbach Maschinensatz 122 x 91 mm
Das Herzstück der Anlage bildet eine 2-düsige Pelton-Turbine mit 3 MW Engpassleistung, die mit einem auf 3.000 kVA Nennscheinleistung ausgelegten Synchron-Generator gekoppelt ist.
© Stadtwerke Imst

Retrofit macht sich bezahlt
Ein heutzutage nicht mehr zeitgemäßes, aber dafür sehr sehenswertes Detail des Altbestands wurde von Schubert im Rahmen der Revitalisierung mit der modernen Leittechnik verbunden. Dabei wurden die neuen Geräte hinter dem ansprechenden Visualisierungsmosaik des Kraftwerks installiert und funktional mit den diversen Anzeigen des Schaubildes an der Schaltschrankfront gekoppelt. „Grundsätzlich werden die wichtigsten Meldungen und Alarme nun auf einem zeitgemäßen Touchpanel dargestellt. Ein Großteil der früheren Leucht- und Kontrolllampen sind nun funktionslos“, so Markus Schiffmann, der ein absolut positives Projektfazit zieht: „Das Projekt wurde von der Firma Schubert wie gewohnt äußerst professionell umgesetzt, die Zusammenarbeit und Kommunikation mit Projektleiter Markus Kerschner und seinem IT-Kollegen Markus Liebhaber hat ausgezeichnet funktioniert. Die Anlage ist jetzt auf dem neuesten Stand der Technik und bestens gerüstet für die kommenden Jahrzehnte.“ Markus Kerschner bestätigt die gute Kooperation mit den Stadtwerken Imst und verweist abschließend auf die zentralen Punkte des Schubert-Retrofitprogramms: „Grundsätzlich wollen wir die Effizienz und Verfügbarkeiten von älteren Wasserkraftwerken durch verschiedene Maßnahmen erhöhen. Dazu zählen die Verwendung intelligenter Softwaretools, die Optimierung der Anlagenperformance, die Digitalisierung der Anlage sowie die Integration moderner Messverfahren, wobei auf eine schonende Symbiose mit dem Altbestand Wert gelegt wird. Beim Kraftwerk Salvesenbach kamen bei der Modernisierung einige Mängel und Ungereimtheiten ans Tageslicht, die bei einem Totalausfall zu einer langen Stillstandszeit geführt hätten. Darüber hinaus konnten auch diverse Abläufe des Anlagenbetriebs wie die Entsanderautomatik optimiert werden.“

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 6/2023

Teilen: