Technik

Eisenerzer Gerbereimuseum geht dank Eigenbau-Wasserrad ein Licht auf8 min read

23. November 2020, Lesedauer: 5 min

Eisenerzer Gerbereimuseum geht dank Eigenbau-Wasserrad ein Licht auf8 min read

Lesedauer: 5 Minuten

In der steirischen Stadtgemeinde Eisenerz hat der umtriebige Herbert Krump gemeinsam mit einer Vielzahl von Unterstützern ein bemerkenswertes Werk geschaffen.

Eine schon fast zur Ruine verfallene ehemalige Gerberei wurde seit 2004 in vielen Tausenden freiwilligen Arbeitsstunden in ein Gerbereimuseum verwandelt. Im Innern des Gebäudes befinden sich fast 100-jährige, inzwischen wieder restaurierte Maschinen und Geräte an ihren originalen Standorten. Diese geben Zeugnis vom hochangesehenen Handwerk der Rotgerberei aus vergangenen Tagen. Erst im Oktober des Vorjahres nahm der „Verein Gerberei Salzer“ eine komplett in Eigenregie gebaute Wasserkraftanlage offiziell in Betrieb. Mit dem neuen Wasserrad an der Gebäudefront, dessen Vorgänger einst die mechanischen Transmissionen der Gerberei in Bewegung versetzte, wird nun elektrischer Strom für die Beleuchtung des Museums gewonnen.

Um das 7. Jahrhundert n. Chr. begann die Besiedlung am Fuße des Erzbergs, dank der namensgebenden reichhaltigen Erzadern auch bekannt als „Steirischer Brotlaib“. Zumindest seit dem 11. Jahrhundert ist der Abbau von Eisenerz – hauptsächlich Siderit – nachgewiesen, andere Quellen datieren den Beginn der Ausbeutung der Erzlagerstätten noch etwa 400 Jahre früher. In der Gegenwart ist das markant rötliche Felsmassiv der größte Eisenerztagebau Mitteleuropas und gleichzeitig das größte Siderit­vorkommen weltweit. In der ansonsten strukturschwachen Region bildet der Erzberg noch immer die wichtigste wirtschaftliche Grundlage. Mit insgesamt 230 Mitarbeitern werden im etagenförmigen Tagbau jährlich etwa 12 Millionen Tonnen Gestein gewonnen und zu 3 Millionen Tonnen Feinerz verarbeitet. Ein digitales Lagerstättenmodell gibt Aufschluss über die unterschiedlichen Erzqualitäten vor Ort und unterstützt so die jährliche Abbauplanung. Vor dem Bahntransport zu den Großkunden voestalpine Stahl Donawitz GmbH & Co KG in Leoben und der voestalpine AG mit Sitz in Linz wird das erzhaltige Gestein noch vor Ort aufbereitet. Weitaus mühseliger ging der Erzabbau in früheren Zeiten vonstatten. Bis zum 16. Jahrhundert wurde das Erz oberirdisch gewonnen, danach folgte auf kaiserliche Anordnung die Einführung des Stollenbaus unter Tage. Obwohl der Abbau ab 1720 mit der Einführung von Sprengmitteln deutlich effektiver wurde, blieb das bergmännische Handwerk eine mühevolle und gefährliche Profession. Aus Tierhäuten gewonnenes Leder bildete als Material für die Arbeitsschürzen der Bergknappen bis hin zu Zaumzeug und Sätteln für die Arbeitspferde ein wertvolles Gut. Während das rohe Erz für viele Jahrhunderte direkt am Erzberg geschmolzen wurde, etablierten sich später in den Tälern sogenannte Radwerke, eine Frühform von Hochöfen. Radwerke wurden bevorzugt an Bächen und Wasserläufen errichtet, an denen Wasserräder die Blasebälge in Bewegung versetzten. Gefertigt wurden die Blasebälge ebenfalls aus Leder, welches aus den regionalen Gerbereien direkt vor Ort stammte.

Handwerk mit langer Tradition
Am Trofengbach in der Gemeinde Eisenerz stammt die erste urkundliche Erwähnung einer Gerberei aus 1548, die Aufschrift an der Fassade „Ledererhaus Anno 900“ weist auf ein noch viel älteres Baujahr hin. Für viele Jahrhunderte setzte sich die Gerberei aus drei Häusern zusammen und bildete so ein langgestrecktes Gebäude, das im Laufe der Zeit stetig umgebaut und erweitert wurde. Um das Jahr 1898 startete die weitreichende Neugestaltung der Gerberei in die heutige Form, deren drei Gebäudeteile insgesamt 52 m messen und drei Stockwerke einnehmen. Für mehrere Jahrhunderte stand die Gerberei im Besitz der Familiendynastie Salzer, erst 1953 stellte das geschichtsträchtige Unternehmen, eine der größten Rotgerbereien in der Region, den Betrieb endgültig ein. Durch ein Legat vermachte 1995 Henriette Bruckner, die Schwester des letzten Gerbermeisters Alfred Salzer, die gesamte Liegenschaft an die Stadtgemeinde Eisenerz. Obwohl Pläne zum Erhalt der Gerberei bestanden, fehlten zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen die finanziellen Mittel, weswegen das Gebäude in den Jahren nach der Übernahme zusehends verfiel.

Ruine wird zum Museum
Durch die Initiative des gelernten Zimmermanns Herbert Krump sollte ab 2003 schließlich Bewegung in die Sache kommen. „Durch meine spätere Tätigkeit als Mitarbeiter im Stadtmuseum Eisenerz habe ich mich wahrscheinlich mit dem Museumsvirus infiziert“, sagt Krump beim zek Hydro Lokalaugenschein im Dezember des Vorjahres: „Für mich bestand die Herausforderung darin, aus dem Altbestand ein Gerbereimuseum zu errichten. Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass das Projekt in rund 10 Jahren abgeschlossen sein sollte, mittlerweile sind es bald 16 Jahre geworden“ Unter der Federführung von Krump wurde als rechtliche Grundlage im März 2004 der „Verein Gerberei Salzer zur Revitalisierung des Objektes“ gegründet, bereits wenige Monate später ging die Liegenschaft durch eine Schenkung seitens der Gemeinde in den Besitz des Vereins über. Um den gänzlichen Verfall des desolaten Gebäudes zu verhindern, war rasches Handeln gefragt, noch im Frühling 2004 konnte durch eine Betretungserlaubnis mit den Entrümplungsarbeiten begonnen werden. Höchste Priorität hatte zu Beginn die Sanierung des Gebäudedachs, der Dachstuhl des Mittelhauses war durch einen unglücklich gestürzten Baum in der Vergangenheit bereits komplett zerstört worden. Durch den Besuch der ehemaligen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic im Frühjahr 2004 in Eisenerz konnte ein bedeutender erster Schritt gesetzt werden. Nachdem Vereins­obmann Herbert Krump der Politikerin sein Projekt vorgetragen hatte, erhielt der Verein bereits kurze Zeit später eine nicht rückzahlbare Förderung im Ausmaß von 5.000 Euro. Mit dieser Summe wurden aus der Geschäftsauslösung eines Baustoffhändlers 7.200 Dachziegel zu äußerst günstigen Konditionen erworben und der Großteil der drei Häuser neu eingedeckt.

Wasserkraftanlage Marke Eigenbau
Seit dem Jahr 2006 steht die Gerberei unter Denkmalschutz. Nach einer amtlichen Begehung wurde das Projekt als förderungswürdig erachtet und erhält seit dieser Zeit immer wieder finanzielle Zuwendungen vom Revitalisierungsfonds des Landes Steiermark und dem Bundesdenkmalamt. Zusätzliche Unterstützung erhält der Verein von der Stadtgemeinde, der Waldgenossenschaft, Spenden von Privatpersonen sowie durch Mitgliedsbeiträge. 2015 wurde der Gerbei der Titel „Steirisches Wahrzeichen“ verliehen. Von Beginn an führte Herbert Krump ein Bautagebuch, in dem sämtliche Arbeiten von Mitgliedern des Vereins chronologisch dokumentiert wurden. Daraus lässt sich entnehmen, dass von März 2004 bis September 2018 insgesamt 81 Beteiligte 36.880 freiwillige Arbeitsstunden geleistet haben. Die meiste Zeit auf der Baustelle hat seit Projektstart sicherlich Herbert Krump verbracht. Als handwerklicher Tausendsassa beteiligte sich dieser sowohl bei der Instandsetzung der baulichen Infrastruktur als auch bei der Restauration der historischen Maschinen und Geräte. Ein bemerkenswerter Teilprojekt konnte im Herbst 2019 offiziell abgeschlossen werden: Die Fertigstellung eines selbst gebauten Kleinwasserkraftwerks mit einem Wasserrad zur Eigenstromgewinnung.

Wasserrad erzeugt Strom
Noch bevor um 1930 eine Francis-Turbine sowie ein sogenanntes Zuppinger-Rad die mechanischen Transmissionen der Maschinen in Bewegung versetzten, diente ein klassisches Wasserrad als hydroenergetischer Antrieb der Gerberei. Nach den Plänen von Herbert Krump sollte auch das Museum wieder mit einem solchen Wasserrad ausgestattet werden – nun allerdings zur Gewinnung von elektrischem Strom. Krump weist darauf hin, dass alleine für die Projektierung und Vermessung der neuen Wasserkraftanlage beträchtliche ­finanzielle Mittel aufgewendet wurden. Die notwendigen praktischen Arbeiten, wie die Sanierung der Ufermauern, der Bau des Fluters bis hin zur Konstruktion des Wasserrads wurden von den Vereinsmitgliedern in Eigenregie umgesetzt. Bereits 2011 wurde dem Verein das entsprechende Wasserrecht von der Behörde ausgestellt, woraufhin in den Folgejahren die sukzessive Erneuerung durchgeführt werden konnte.

Bauteil nach Probelauf adaptiert
Da der Trofengbach nicht mehr wie in früheren Zeiten aufgestaut werden darf, wird das Nutzwasser über ein Streichwehr ausgeleitet. Von dort fließt das Wasser zum Einlaufbereich, an den ein Kunststoffrohr DN500 anschließt. Durch das rund 10 m lange Rohr gelangt das Wasser in einen Klärschacht, in dem sich Geschwemmsel und Sedimente absetzen können. Dies bringt den Vorteil mit sich, dass das Wasser über den anschließenden Fluter in sehr reinem Zustand auf das Wasserrad trifft. Für die Konstruktion des Wasserrads wurde eine ähnliche Anlage im oberösterreichischen Traunleiten bei Wels begutachtet und das dortige Wasserrad genauestens vermessen. Die Fertigung des neuen Eisenerzer Wasserrads fand schließlich in der Garage von Herbert Krump statt. Aufgrund der räumlichen Begrenzungen am Einbauort wurden die seitlichen Blechverkleidungen erst nach der Einbringung vor Ort montiert, im fertigen Zustand hat das Wasserrad einen Durchmesser von 2 m. Im Laufe des mehrmonatigen Probetriebs wurden zwei zentrale Probleme am „do-it-yourself“-Wasserrad identifiziert, erklärt Krump: „Zum einen bewirkte die einseitige Lagerung des Bauteils zu viele Schwingungen, weswegen das Wasserrad nachträglich mit einem zweiten Lager ausgerüstet wurde. Zum anderen fließt das Wasser mit einer höheren Geschwindigkeit über den Fluter als bei der oberösterreichischen Referenzanlage, wodurch die Beaufschlagung der insgesamt 20 Wasser­­rad-Schaufeln nicht ordnungsgemäß funktionierte.“ Gelöst werden konnte dieses Problem durch eine Verlängerung der Schaufeln sowie die Adaptierung des Schaufel-Neigungswinkels. Das entsprechend angepasste Wasserrad dreht nun mit 18 – 20 U/min und treibt über ein zwischengeschaltetes Getriebe einen kompakten Asynchron-Generator an. Die in einem Schaltkasten verbaute Elektrotechnik der Kleinkraftwerksanlage wurde von den Vereinsmitgliedern ebenfalls in Eigenregie installiert. Bei idealen Zuflussbedingungen schafft die Anlage eine Engpassleistung von knapp 2 kW. „Damit kann zwar bei weitem nicht der Energiebedarf des gesamten Museums gedeckt werden, der Strom für die Gebäudebeleuchtung sollte sich aber damit ausgehen“, merkt Krump an und ergänzt, dass das Wasserkraftprojekt der Gerberei Salzer von der Energie Steiermark mit 5.000 Euro finanziell unterstützt wurde. In das öffentliche Netz des steirischen Energieversorgers wird auch der überschüssige Strom der Wasserkraftanlage eingespeist. Stand Anfang Dezember 2019 konnten seit der Erstinbetriebnahme über 8.800 kWh durch das Wasserrad erzeugt werden.


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