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Hydraulische Antriebe – muss es immer Öl sein?6 min read

20. November 2024, Lesedauer: 5 min

Hydraulische Antriebe – muss es immer Öl sein?6 min read

Lesedauer: 5 Minuten

In der heutigen Industrielandschaft steht die Hydraulik nach wie vor an vorderster Stelle, wenn es darum geht, Maschinen und Systeme mit hoher Präzision und Kraft zu bewegen. In der Regel versorgt ein Hydraulikaggregat mit einem Diesel- oder Elektromotor die einzelnen Antriebe (z.B. Hydraulikzylinder) mit dem Druckmedium. Je nach Anwendung entstehen dabei nicht selten Drücke bis 350 bar, in Sonderfällen sind auch Drücke bis 800 oder gar 1000 bar möglich. Früh beschäftigt die Planer die Frage nach der richtigen Hydraulikflüssigkeit.

Ein weiteres Kriterium für die Auslegung eines Hydrauliksystems ist die Geschwindigkeit. Je schneller z.B. der Zylinder ein- bzw. ausfahren soll, desto schneller muss das Betriebsmedium fließen. Insbesondere bei mobilen Anlagen oder Anlagen im Stahlwasserbau kommen dann noch Anforderungen wie Umgebungstemperatur, Betriebstemperatur oder Umweltanforderungen hinzu. Während bei mobilen Anlagen meist eine Einsatzdauer von zumindest mehreren Stunden am Stück der Fall ist und sich dadurch das Medium entsprechend auf eine geplante Temperatur bringen lässt, sind die Häufigkeit und Betriebsdauer an Stahlwasserbauanlagen oft sehr gering. Einige Anlagen werden gar nur für Wartungs- und Testfahrten betrieben – müssen aber zu jeder Tages- und Nachtzeit einsatzbereit sein. All das gilt es bei der richtigen Wahl des Mediums im Zusammenspiel mit den Komponenten bis hin zur Betriebssicherheit der Anlage zu betrachten. Das dann geplante Medium hat eine direkte Auswirkung auf die Auswahl von Ventilen, Pumpen, Motoren oder Zylindern bis hin zu den verwendeten Rohmaterialien und Dichtungen.

Zylinderbau AH--Jusante-lackiert 90 x 120 mm
Der Einsatz des optimalen Hydraulikmediums im Stahlwasserbau spielt eine wichtige Rolle für die Leistung und Langlebigkeit einer Anlage.
© ZS Zylinderbau

Welche Medien gibt es in der modernen Hydraulik?
Mineralölbasierte Hydraulikflüssigkeiten (z.B. HL, HLP, HVLP oder HLP-D) mit einem Temperaturbereich von -50 bis +160°C
Biologisch schnell abbaubare Druckflüssigkeiten auf pflanzlicher Basis (z.B. HETG, HEES, HEPR) mit einem Temperaturbereich von -40 bis +100°C, teilweise bis -50 und +150°C möglich
Schwer entflammbare Medien (z.B. HFA, HFB, HFC oder HFDR) mit einem üblichen Temperaturbereich von +5 bis +60°C, HFDR von -50 bis +100°C oder 0 bis +150°C
Reines Wasser mit einem Temperaturbereich von +5 bis +60°C

Fette und Kraftstoffe
Die Viskosität und Dichte des Mediums, die Betriebstemperatur und die Umgebungsbedingungen bzw. der Einsatzort liefern die ersten Anhaltspunkte für die Auswahl des geeigneten Hydraulikfluids. Für den Stahlwasserbau müssen wir je nach Betriebsort zumindest von Temperaturen bis -20°C ausgehen. Um bei einer Leckage (z.B. Dichtungsdefekt, Schlauch- oder Rohrbruch) keine Umweltschäden zu verursachen, kommen meist biologisch schnell abbaubare Medien zum Einsatz. Klarwasser oder Wasser-Öl-Emulsionen werden aufgrund der Anforderungen an die medienführenden und medienberührenden Materialien sowie aus Kostengründen eher selten eingesetzt. Wasserhydraulik beschreibt den Einsatz von Hydraulikflüssigkeiten, die eine Mischung aus Wasser und Ölen verwenden. Bei der Klarwasser- oder Reinwasserhydraulik wird reines Wasser, wie es beispielsweise aus der Hausleitung oder der Regentonne stammt, verwendet. Der Einsatz von Reinwasser als Druckmedium macht Hydraulikanlagen aber teuer, weil sämtliche Komponenten – aus Korrosionsschutzgründen – aus Sonder- oder Edelstählen gebaut werden müssen. Wie bei Hochdruckreinigern, Wasserstrahlschneidanlagen oder Sonderzylindern. Vorteile des Mediums Wasser wären neben der Umweltverträglichkeit auch die geringere Viskosität (bis zu 30-fach niedriger als Öle), die nahezu konstante Viskosität über einen großen Temperaturbereich, der niedrigere Durchflusswiderstand und der damit verbundene bessere Wirkungsgrad, die höhere Wärmekapazität sowie die geringere Luftaufnahme im Vergleich zu Öl. Auch die Wartung und das Alterungsverhalten des Mediums sprechen für Wasser.

Gute Gründe für Hydrauliköl
Letztendlich sind es jedoch die konstruktiven und wirtschaftlichen Aspekte, die dem Hydrauliköl den Vorzug geben. Die guten Schmiereigenschaften der Ölhydraulik ermöglichen den Einsatz von Standardpumpen und -ventilen. Im Stahlwasserbau sind die Rohrleitungen und teilweise auch die Kolbenstangen häufig bereits aus Edelstahl oder mit einem speziellen Korrosionsschutz versehen. Bei Verwendung von Klarwasser müssten weitere Teile aus Edelstahl gefertigt werden, um Rostbildung zu vermeiden. Das Risiko von Schäden durch Korrosion ist bei den üblichen Anlagendimensionen und Volumenströmen im Stahlwasserbau zu groß. Daher setzen wir derzeit noch auf biologisch schnell abbaubare Hydraulikmedien. Ein herausragendes Beispiel für den Einsatz von Klarwasser ist eine Anlage an einem Flusslauf, bei der die Hydraulikzylinder direkt mit Flusswasser betrieben werden. Diese Zylinder sind für den Notschluss verantwortlich und werden ausschließlich durch den Zufluss aus dem Fluss gespeist und bei Bedarf angesteuert. Die ZS Zylinderbau & Service GmbH verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich der Wasserhydraulik, insbesondere aus dem Bergbau. Unser Team berät Sie gerne zu den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Hydraulikmedien und unterstützt Sie bei der Auswahl der für Ihre Anwendung am besten geeigneten Lösung.

Zylinderbau
Bei der Auswahl des richtigen Hydraulikmediums gilt es mehrere Punkte zu beachten.
© ZS Zylinderbau

Blauer Engel – Dieses Umweltzeichen zeichnet Hydraulikflüssigkeiten aus, die sich durch einen geringen Anteil an toxischen Inhaltsstoffen und ein gutes Umweltverhalten (z.B. gute Abbaubarkeit) auszeichnen. Das Label wird aber auch unter anderem dafür kritisiert, dass es dem Verbraucher suggeriert, von einem entsprechend gekennzeichneten Produkt gehe weniger Risiko für die Umwelt aus.

Hydrauliköle auf Mineralölbasis – bereits im Rahmen seiner Jugend-Forscht-Arbeit untersucht Kevin Jablonka den Einfluss von Hydrauliköl auf das Ökosystem. Er stellt dabei unter anderem fest, dass Mineralöl das Pflanzenwachstum weniger stark beeinflusst als „Bio“-Hydrauliköl auf Esterbasis.

Bio-Hydrauliköle – Die NBR Verträglichkeit ist teilweise irreführend. Zum einen werden für die Verträglichkeitstests oft Standard Referenz Elastomere (SRE) herangezogen, was einem idealisierten Werkstoff entspricht. Zum anderen und insbesondere wenn Öle von unterschiedlichen Herstellern gemischt werden, kann es auf Grund der veränderten Zusammensetzung zu unerwünschten Wechselwirkungen der Additive und dadurch zu Schädigungen von Dichtungen und Schläuchen kommen.

Reinwasser Hydraulik – Insbesondere bei kleineren (neuen) Anlagen kann der Betrieb mit Reinwasser eine echte Alternative sein. Eine Umstellung von Ölhydraulik auf Wasserhydraulik bedarf jedoch einer ordentlichen Prüfung durch Profis, denn die gesamte Anlage muss ggf. von Grund auf neu durchdacht und überarbeitet werden.

Was steckt hinter dem Kürzel?
HL steht für Hydrauliköle aus Miner­al­ölen angereichert mit Wirkstoffen, die den Korrosionsschutz und die Alter­ungsbeständigkeit verbessern.
HLP-Öle verbessern den Korrosionsschutz, die Alterungsbeständigkeit und den Fressverschleiß im Mischreibungsbereich.
HVLP verbessern zudem das Viskositäts-Temperatur-Verhalten.
Außerdem gibt es HLP-D Druckflüssigkeiten, die mit reinigenden (detergierenden) Zusätzen versehen sind.
HFAE sind Öl-in-Wasser-Emulsionen mit einem Wassergehalt größer 80 Prozent und einem Konzentrat auf Mineral­ölbasis oder auf Basis von löslichen Polyglykolen. Bei der auf Mineralöl basierenden Variante muss auf eine mögliche Entmischung bzw. auf Mikrobenwachstum geachtet werden.
Bei HFAS mit synthetischen Konzentraten besteht keine Gefahr der Entmischung. Hier sollte allerdings auf die deutlich erhöhte Korrosionsanfälligkeit geachtet werden.
HFB sind Wasser-in-Mineralöl-Emulsionen mit einem Wassergehalt, der über 40 Prozent liegt. In Deutschland sind diese jedoch aufgrund mangelnder brandtechnischer Eigenschaften nicht zugelassen.
HFC sind so genannte Wasserglykole, gewissermaßen wässrige Monomer- bzw. Polymerlösungen (häufig Polyglykole). Ihr Wassergehalt liegt in der Regel zwischen 35 und 65 Prozent.
HFD sind wasserfreie Flüssigkeiten. Sie sind in ihrer Zusammensetzung sehr unterschiedlich, was zu folgender Unterscheidung führt: HFD-R, HFD-S, HFD-T, HFD-U. Diese Flüssigkeiten sind schwer entflammbar, können aber beim Ansaugverhalten von Pumpen Probleme verursachen und greifen viele Dichtungswerkstoffe an.
HETG (Basis Triglyceride /pflanzliche Öle)
HEES (Basis synthetischer Ester), HEPG (Polyglykole)
HEPR (andere Basisflüssigkeiten / hauptsächlich Poly-Alpha-Olefine).

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 4/2024

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