In der alpinen Beschneiungsinfrastruktur schlummert Wasserkraft-Potenzial5 min read
Lesedauer: 4 MinutenOhne künstliche Beschneiung keine Schneesicherheit – und ohne Schneesicherheit keine Touristen. Eine simple Formel, die letztlich dazu geführt hat, dass viele Bergbahnen in den Alpen heute über eine Beschneiungsinfrastruktur mit künstlichen Speicherteichen verfügen, welche die Möglichkeit für die Wasserkraftnutzung eröffnen. Manche haben diese Option genutzt, sind schon einen Schritt weiter und haben erste Kleinwasserkraftanlagen in Betrieb genommen. Diese dienen letztlich nicht nur einer verstärkten Ökologisierung des Wintersports, sondern können sowohl betriebswirtschaftlich als auch im Hinblick auf die Netzstabilität eine wichtige Funktion einnehmen. Ganz frei von Hürden ist die Umsetzung aber zumeist nicht.
Die Bergbahnen See im Tiroler Paznaun zählen zweifellos zu den Vorreitern in Sachen Wasserkraftnutzung. Schon seit Ende 2009 ist hier eine zweistufige Kleinwasserkraftanlage im Einsatz, die immer dann Strom erzeugt, wenn das Wasser gerade nicht zur Beschneiung verwendet wird. Die Stromausbeute kann sich sehen lassen: Sie liegt jährlich bei rund 11 GWh. Eine Strommenge, die etwa 2.200 Tonnen CO2 aus fossiler Erzeugung entspricht. Ähnlich lange, nämlich bereits seit 2008, befassen sich die Davos Klosters Bergbahnen mit der nachhaltigen synergetischen Nutzung ihrer Beschneiungsinfrastruktur. Zum Zeitpunkt Anfang 2022 hatten sie schon drei Kleinkraftwerke installiert, mit denen sie rund 1,6 GWh im Jahr erzeugen. Das bedeutet, dass der Schweizer Traditionsbetrieb den für die Beschneiung benötigten Strom am Jakobshorn zum Großteil selbst produziert. Für die Betreiber steht fest, dass sie mit der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Ressourcen den Betrieb ökologischer machen und zudem eine erhöhte Rentabilität für den Ganzjahresbetrieb erreichen. Für ihre Bemühungen in Sachen Nachhaltigkeit wurden die Davos Klosters Bergbahnen gemeinsam mit ihrem technischen Ausrüster sogar mit einer Nominierung für den Swiss Mountain Award bedacht.
Ausbau zum Pumpspeicher-Kraftwerk
Dem Beispiel der Bergbahnen Davos Klosters oder der Bergbahnen See folgen mittlerweile immer mehr Skigebiete. Hervorzuheben wären dabei etwa die Riesneralm Bergbahnen in der Steiermark, oder auch die Gletscherbahnen Kaprun in Salzburg. Erstere realisierten 2020 ihr eigenes Beschneiungs-Kraftwerk, das einen Höhenunterschied von rund 90 m nutzt und gemeinsam mit dem bestehenden Kraftwerk im Jahr durchschnittlich 6 GWh erzeugt. Dem gegenüber steht ein Eigenverbrauch von circa 2,2 GWh im Jahr. Somit können die Steirer den Überschuss ins Netz einspeisen und sogar einen Gewinn erzielen. Von Seiten der Riesneralm spricht man von einem echten Erfolgsprojekt.
Und ähnlich sehen es die Gletscherbahnen Kaprun, die auch schon seit längerem auf die Nutzung der Wasserkraft setzen. 2022 wurde das seit rund einem Jahrzehnt bestehende Pump-Kraftwerk um eine weitere Pumpturbine erweitert, sodass nun drei installierte Maschinensätze mittlerweile rund 1,3 Millionen kWh Ökostrom im Regeljahr liefern. Damit nicht genug: In einem nächsten Schritt soll die Anlage in Zukunft auch als vollwertiges Pumpspeicherkraftwerk eingesetzt werden können. Ein entsprechendes Forschungsprojekt wurde erst vor einigen Jahren erfolgreich lanciert.
Infrastruktur ist großteils vorhanden
Das Potenzial für derartige Anlagen scheint jedenfalls vorhanden zu sein. Allein in Österreich soll es aktuell rund 450 Speicherteiche in den Skigebieten geben. Die künstlichen Seen, die für die Beschneiung geschaffen wurden, sollten auch für die Wasserkraft genutzt werden, findet etwa der Geschäftsführer von Kleinwasserkraft Österreich Paul Ablinger. „Die wesentliche Infrastruktur dafür, wie Maschinenräume, Trafos und Stromleitungen, ist vorhanden“, so Ablinger. Was es allerdings bei derartigen Projekten häufig braucht, ist eine Anpassung bzw. ein Ausbau der Rohrleitung. Zum Teil werden größere Durchmesser erforderlich, zwingend braucht es für die Wasserkraftnutzung allerdings druckfestes Rohrmaterial. Zudem ergeben sich vielerorts auch Hürden, wenn es darum geht, neue Speicherteiche anzulegen. Diese müssen den strengen Vorgaben des Naturschutzes entsprechen und im Hinblick auf Landschaftschutz und Ökologie auch im Sommer immer gefüllt sein. Schließlich ist seit längerem bekannt, dass Mehrzweckspeicher, die zur Wasserkraftproduktion genutzt werden, Ökosysteme am stärksten durch ausgeprägte Pegelschwankungen negativ beeinflussen, da sie das Wachstum bodenlebender Algen im Uferbereich beeinträchtigen, die einen wichtigen Grundbaustein der Nahrungskette bilden.
Eigeninitiative zahlt sich aus
Im Gesamten gesehen liegt der Anteil des für die Beschneiung verwendeten Stroms am österreichischen Stromverbrauch bei gerade einmal 0,33 Prozent. Das erscheint gering. Dennoch: Wie zuletzt die Salzburger Nachrichten kolportierten, beträgt der Jahresstrom- verbrauch für die künstliche Beschneiung von 1 Hektar Skigebiet in Österreich circa 15 kWh. Umso vorteilhafter für ein Bergbahn-Unternehmen, wenn es diesen Strom aus eigenen Ressourcen bereitstellen und sich damit auch zu einer ökologischen Verantwortung bekennen kann. In dieses Bild passt natürlich eine Doppelnutzung der bestehenden Beschneiungsinfrastruktur für eine umweltfreundliche Stromerzeugung aus Wasserkraft ausgezeichnet. Wie die vier genannten Beispiele der inneralpinen Bergbahnenbetreibern in eindrücklicher Weise belegen, kann der Bau von Kleinwasserkraftwerken parallel zur Beschneiungsinfrastruktur eine wertvolle Investition sowohl für den Betreiber als auch die ganze Region werden. Neben den ökologischen Vorteilen, die sich durch die ganzjährig mögliche Wasserkraftnutzung ergeben, sprechen auch die energiewirtschaftlichen Vorteile klar für derartige Projekte. Sie sollten längst schon Teil der hiesigen Energiestrategie sein.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 1/2024
Teilen: