Kaplan EVO – mit dem Blick aufs Ganze die Kaplan-Turbine neu gedacht11 min read
Lesedauer: 8 MinutenIn der Natur gehen Evolutionsschritte in der Regel im Kleinen vonstatten. Aber ihre Auswirkungen können dennoch enorm sein. Der oberösterreichische Wasserkraft-Allrounder Global Hydro Energy GmbH hat im Zuge seiner neuen Turbinenentwicklungsreihe „EVO“ neben der Pelton- und der Francis- auch die Kaplan-Turbine komplett neu gedacht und sie auf modernste Anforderungen im Hinblick auf Umweltschutz, Wirtschaftlichkeit und Wartungsfreundlichkeit hin adaptiert und optimiert. Die neue Kaplan EVO stellt dabei auch das Herz des vielversprechenden modularen Schachtkraftwerks – einer Weiterentwicklung des pantentierten Kraftwerkskonzepts der TU München – dar. Und ist zugleich ein eigenständiges Kaplan-Turbinensystem, das neue Perspektiven für bislang ungenutzte Low-Head-Standorte eröffnet. Die Kaplan EVO ist prädestiniert sowohl für den Einsatz in Refurbishment-Projekten als auch bei allen bestehenden Querbauwerken mit niedriger Fallhöhe.
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Die Wasserkraftnutzung im 21. Jahrhundert hat ganz neue Anforderungen mit sich gebracht. Um die älteste Form der erneuerbaren Energien heute noch erfolgreich nutzen zu können, müssen einige Prämissen aus ihren Ur- und ersten Boom-Zeiten mittlerweile hinterfragt und gegebenenfalls auch revidiert werden. So sind etwa die Tage sturer Wirkungsgrad-Bolzerei im Maschinenbau definitiv vorüber. Heute dreht sich vielmehr alles um Fragen der Wirtschaftlichkeit, der Umweltfreundlichkeit und der einfachen Handel- und Steuerbarkeit. Ganz nebenbei: Gute Wirkungsgrade werden inzwischen auch von weniger etablierten Herstellern vorausgesetzt. Doch zum Zug kommt heute nur eine Technologie, die den inzwischen breitgefächerten Anforderungen von Gewässerökologie und Umweltschutz gerecht wird, die sich letztlich gesamtheitlich wirtschaftlich darstellen lässt und die anwenderfreundlich designt ist. Daher verwundert es nicht, dass ein renommiertes Wasserkraftunternehmen wie Global Hydro Energy GmbH es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Maschinenkonzept der drei wichtigsten Turbinen komplett neu zu denken. Mit seiner brandneuen EVO-Reihe haben die oberösterreichischen Wasserkraftspezialisten Pelton-, Kaplan- und Francis-Turbine einer technischen Weiterentwicklung unterzogen, die einem echten Evolutionsschritt gleichkommt. Während die Pelton EVO (siehe Bericht in zek HYDRO Oktober 2022) in erster Linie in Richtung Kompaktheit, Einfachheit und Wartungsfreundlichkeit optimiert werden konnte und bei der Francis EVO eine Erweiterung des Kennfelds im Vordergrund stand, wurde die Kaplan EVO speziell in den Bereichen Umweltfreundlichkeit und Wartungsfreundlichkeit verbessert und ihr eine bislang nicht gekannte Wirtschaftlichkeit für den Low-Head-Bereich ermöglicht.
Leistungsschau für Zentralasien
„Die Wurzeln der Entwicklung der Kaplan EVO liegen im Schachtkraftwerk. Dabei handelt es sich um ein richtungsweisendes Konzept eines zur Gänze überströmten Kleinkraftwerks, das von der TU München entwickelt worden ist. Um es kurz zu fassen: Die markantesten Vorzüge dieses Kraftwerkskonzept liegen darin, dass es ausgesprochen fischfreundlich ist, vom Fluss transportiertes Geschiebe und Treibgut problemlos weitergibt und eine exzellente Verträglichkeit hinsichtlich Landschaftsschutz aufweist, da sich der Großteil der Wasserkrafttechnik unter Wasser befindet. „Im Zuge der Realisierung der ersten Schachtkraftwerk-Projekte hat sich allerdings auch gezeigt, dass durch individuelle Planung und Umsetzung bzw. Fertigung – sowohl des Bauwerks, als auch der technischen Komponenten – die Kosten und Risiken noch recht hoch, und eine wirtschaftliche Implementierung – vor allem global gesehen – nur eingeschränkt zu erreichen ist. Aufgrund dieses noch vorhandenen Optimierungsbedarfs wurde die Weiterentwicklung des Schachtkraftwerk-Konzeptes hin zu einem modularen Baukastensystem mit standardisierten und vorgefertigten technischen Komponenten, sowie einer maximal vereinfachten Bauweise angestrebt, um somit die Kosten und Risiken zu senken, die Fertigungs- und Bauzeiten zu verkürzen, und damit diese nachhaltige Lösung für den weltweiten Einsatz zu ermöglichen. Im Zuge der Weiterentwicklung fokussieren wir uns auf die Vereinfachung der baulichen Umsetzung sowie die hydraulische Optimierung, während die Fa. Muhr die Stahlwasserbau-Komponenten und Global Hydro die neue Kaplan-EVO Reihe für dieses modulare System maßschneidert“, erkärt Dipl.-Ing. Bertalan Alapfy, Hydro4U Projektkoordinator an der TU München. „Und für diese optimierte Anlage haben wir die Turbinen-Generator-Einheit entwickelt und ganz speziell an deren Anforderungen angepasst“, erklärt Thomas Sageder, Area Sales Manager bei Global Hydro. Konkret ging der Auftrag an das oberösterreichische Wasserkraftunternehmen im Zuge des Projekts Hydro4U im Juni 2021. Dieses Projekt wird von der Europäischen Union im Rahmen des Forschungsrahmenprogramms Horizon 2020 finanziert. Hydro4U zielt darauf ab, europäische Technologien für kleine Wasserkraftwerke in Zentralasien zu demonstrieren. Im Rahmen des Projekts werden Demonstrations- und Planungsaktivitäten durchgeführt, um die Implementierung und Verbreitung ökologisch, wirtschaftlich und sozialpolitisch nachhaltiger Wasserkraftlösungen zu ermöglichen. Im Detail wird das Konsortium, das aus 13 Partnern aus 8 Ländern besteht, gemeinsam mit lokalen Partnern und Interessenvertretern zwei Demo-Wasserkraftwerke in Zentralasien, eines in Usbekistan und eines in Kirgisistan, installieren und validieren. Hydro4U wird innovative, modulare und standardisierte Wasserkraftlösungen für Anwendungen mit geringer und mittlerer Fallhöhe anbieten. Neben dem direkten Marktzugang für die teilnehmenden Projektpartner wird Hydro4U auch den Marktzugang für europäische Wasserkraftwerkshersteller und -dienstleister in Zentralasien insgesamt erleichtern. Mehr zum Projekt auf: hydro4u.eu.
Das „untergetauchte“ Kraftwerk
Für die Demonstrationsanlage in Kirgisistan ist nun die Implementierung eines modularen Schachtkraftwerks vorgesehen. Das von der TU München entwickelte und patentierte Kraftwerkskonzept stellt im Wesentlichen die Grundlage für ein neuartiges Kraftwerkssystem dar: In Verbindung mit einem bereits vorhandenen oder neuen Stauwehr wird ein senkrechter Schacht in der Flusssohle angelegt. Dieser ist durch einen horizontalen Rechen mit integrierter Rechenreinigungstechnik abgedeckt, durch den das Triebwasser vertikal nach unten strömt, wo es auf eine umströmte Turbine-Generator-Einheit trifft und diese antreibt. Da sich das elektromechanische Equipment unter Wasser befindet, tritt dabei keinerlei Lärmentwicklung auf. Das Wehr bleibt ständig überströmt. Die Anbindung an das Unterwasser erfolgt über das Saugrohr durch den Wehrkörper hindurch. Die gesamte Technik wurde auf maximale Wartungsfreundlichkeit hin getrimmt. Der Fischabstieg erfolgt über spezielle Öffnungen im ebenfalls mittels elektrischen Antrieben verstellbaren Verschluss direkt in das Unterwasserpolster. Dank sehr enger Stababstände am Feinrechen kann effektiv verhindert werden, dass die Fische in den Turbinenschacht gelangen. Durch die Anordnung im Flusslauf ist eine Ausleitung und damit verbundenem großen Bauaufwand und negativen Umwelteinwirkungen nicht notwendig. (Mehr dazu auf der Homepage der TU München). Seine unbestrittenen ökologischen Vorzüge, verbunden mit der Option, auch Low-Head-Standorte bis zu 1,2 m Fallhöhe wirtschaftlich nutzen zu können, eröffnen dem Schachtkraftwerk heute weltweit interessante Perspektiven. Und damit auch für den oberösterreichischen Anlagenbauer Global Hydro, der für das Herz des Kraftwerks verantwortlich zeichnet. „Wir haben die Turbine für diesen Einsatz maßgeschneidert. Sie ist kompakt, robust und dank dem Verzicht auf jegliche Öle oder Schmierstoffe höchst umweltfreundlich. Zudem ist sie sehr wartungsarm“, fasst Thomas Eder, Leiter der Abteilung „Production and Product Development“ bei Global Hydro zusammen.
Der Blick auf das Ganze
Mit der Verwirklichung der „untergetauchten“ Maschineneinheit für das Schachtkraftwerk war für die Ingenieure von Global Hydro die Weiterentwicklung der doppeltregulierten Kaplan-Turbine noch nicht abgeschlossen, wie Thomas Eder bestätigt. Weitere Entwicklungen und Funktionen sind bereits in Umsetzung. Schließlich ging es bei Global Hydro darum, die konsequente Erweiterung des Portfolios im Low-Head-Bereich noch weiter voranzutreiben. Und dabei stehen weniger Einzelaspekte im Mittelpunkt der Überlegungen als der Blick auf das große Ganze. „Wie können Niederdruckanlagen heute wirtschaftlich eingesetzt werden, wenn man die Gesamtkosten der Anlage im Blick behält? Wie können bestehende Strukturen möglichst einfach, aber effektiv genutzt werden? Diese Fragen haben wir uns im Zuge der Weiterentwicklung der Kaplan EVO gestellt“, erläutert Thomas Sageder die Ausgangssituation und ergänzt: „Ein toller Wirkungsgrad einer Maschine muss am Ende keineswegs die Optimallösung für den Kunden bedeuten. Natürlich können sich Kunden an so manchem Standort beispielsweise eine ‚hochgezüchtete‘ Rohrturbine mit Spitzen-Wirkungsgraden vorstellen. Aber was bringt das dem Betreiber, wenn mit der dafür nötigen baulichen Infrastruktur ein Return of Investment sich erst nach 40 Jahren einstellt? Wir schauen uns die Gesamtinvestitionskosten an – und die müssen in einem sinnvollen Verhältnis zur Jahresproduktion stehen. Darum geht es.“ Dass die Maschinen aus der neuen EVO-Reihe dennoch nicht mit guten Wirkungsgraden geizen, ist für die Verantwortlichen bei Global Hydro fast schon eine Selbstverständlichkeit. Thomas Eder: „Wir sind eher konservativ bei der Angabe der Maschinenwirkungsgrade. Dennoch weisen die Turbinen der EVO-Reihe allesamt Spitzen-Wirkungsgrade von über 90 Prozent auf.“
Turbine mit Umgebungswasser geschmiert
Wo liegen nun die Unterschiede zur klassischen doppeltregulierten Kaplan-Turbine? „Der wesentlichste Punkt betrifft wohl den Einsatz unter Wasser: Die Kaplan EVO ist für den Unterwassereinsatz konzipiert – mit allen Konsequenzen. So haben wir etwa auf eine Abdichtung der rotierenden Bauteile verzichtet, obwohl sie komplett umströmt ist. Die Maschine ist durchgehend wassergeschmiert, es braucht keinerlei Öle oder Schmierstoffe. Die Schmierung erfolgt durch das Umgebungswasser“, so Thomas Eder. Dabei ist das Thema Wasserschmierung keineswegs Neuland für die Ingenieure von Global Hydro. Thomas Sageder verweist darauf, dass man dabei schon über eine langjährige Erfahrung verfüge. „Allerdings haben wir dafür bislang nur speziell gefiltertes Wasser aus einem eigenen Wasseraufbereitungsaggregat verwendet. Im Fall der Kaplan EVO sind wir einen Schritt weiter gegangen. Hier kommt Umgebungswasser zum Einsatz, das lediglich über einen selbstreinigenden mechanischen Filter von Partikeln und Schwebstoffen befreit wird.“ Ein weiterer Unterschied zur herkömmlichen Kaplan-Turbine besteht darin, dass die Stellantriebe an der Turbine allesamt elektrisch und nicht hydraulisch angetrieben werden. Zudem befindet sich der drehzahlgeregelte Generator im Turbinengehäuse und bildet auf diese Weise mit der Turbine eine Einheit.
Entwicklungsteam macht sich bezahlt
Entwickelt wurde die neue Kaplan EVO vom HydroLab-Team, wie die Entwicklungsabteilung von Global Hydro genannt wird, in enger Abstimmung mit Universitäten und Forschungseinrichtungen. Darin fließen neben den theoretischen Grundlagen auch jede Menge Erfahrung aus der Praxis mit ein. Interdisziplinäres Denken wird in diesem Rahmen bei Global Hydro gefördert. „Wir verstehen uns als ein Water-to-Wire-Anbieter. Als Turbinenbauer liefern wir das technische Herz einer Anlage und sehen uns damit in der Lage, an den wesentlichen Stellschrauben zu drehen, wenn es um die Wirtschaftlichkeit eines Kraftwerks geht. Diese Qualität wird von unseren Kunden auch geschätzt“, erklärt dazu Global Hydro Geschäftsführer Richard Frizberg. Er verweist darauf, dass auch in der Kaplan EVO mittlerweile mehrere Patente verankert sind.
Einzigartige Wartungsfreundlichkeit
Ein Ziel der Entwicklungsarbeit lag unter anderem in der Verbesserung der Wartungsfreundlichkeit. Und dies gelang durchaus eindrucksvoll, wie Thomas Sageder bestätigt: „Im Fall von Wartung oder Service lässt sich die gesamte Mechanik über ein Schienensystem aus dem Unterwasser herausführen. Und mit einem einzigen Hub kann sie angehoben und von einer begehbaren Plattform aus serviciert werden. Das kenne ich in dieser Einfachheit bei keinem anderen Anlagentyp.“ Ein weiteres Ziel der Ingenieure des HydroLab-Teams betraf die Montierbarkeit der Maschineneinheit. „Die Anlage wird geprüft und komplett vormontiert auf die Baustelle geliefert. Das bedeutet, dass die Montage innerhalb weniger Tage möglich wird. Für die mechanische Installation können etwa zwei Wochen veranschlagt werden, für die Inbetriebsetzung schließlich noch eine weitere Woche. Natürlich trägt eine rasche Montierbarkeit einer Maschine ganz wesentlich zur Wirtschaftlichkeit eines Kraftwerksprojekts bei“, führt Thomas Eder näher aus. Was die Steuerungsmöglichkeit der neuen Kaplan EVO anbelangt, so ist diese auch zur Gänze kompatibel für die modernsten Steuerungssysteme von Global Hydro – wie dem Heros 4.0 und dem Heros Connect. Das gesamte System ist über das weltweite SCADA-System kontrollier- und steuerbar, der Kunde muss mit keinerlei Abstrichen rechnen.
Kaum baulicher Aufwand erforderlich
Neben dem Einsatz im Schachtkraftwerk eignet sich die neue Kaplan EVO hervorragend für diverse Einsätze im Low-Head-Bereich – an bestehenden Querbauwerken, im Refurbishment-Bereich, bei brachliegenden Kleinkraftwerken ebenso wie an Kanälen oder Mühlenstandorten. „Der riesige Vorteil liegt darin, dass nur ein relativ geringer bautechnischer Aufwand vonnöten ist“, erklärt Thomas Sageder. Mit den fünf unterschiedlichen Laufradgrößen, die sich von 800 mm bis zu 1.600 mm erstrecken, können Fallhöhenstufen von 1,5 bis 12 m bei unterschiedlichen Durchflüssen abgedeckt werden. „Trotzdem wird von uns für jedes Projekt im Vorfeld die Laufradgeometrie geprüft und nach Bedarf angepasst. Konkret geht es dann um die Frage, ob ein 3-, 4- oder 5-flügeliges Laufrad zum Einsatz kommt“, geht Thomas Eder ins Detail. Eine zusätzliche Qualität liegt in der potenziellen Modularität der Kaplan EVO. So lassen sich durchaus betriebstechnische und auch wirtschaftliche Vorteile durch die Anordnung von zwei modularen Kaplan EVO generieren, die optimal an die Abflusskurven des Gewässers angepasst sind.
Es geht um die einfachste Lösung
„Für uns stellt die Kaplan EVO ganz klar eine Erweiterung des Portfolios im Low-Head-Bereich dar. Sie liefert die Grundlage dafür, dass Niederdruckanwendungen wieder wirtschaftlich werden. Es geht nicht darum, die billigste Lösung zu finden, sondern die ökonomisch sinnvollste für den Kunden“, argumentiert Richard Frizberg. Die Perspektiven für die Kaplan EVO sind entsprechend interessant. Das technische Prinzip hinter der Maschine ist längst marktreif, wobei aktuell der erste Prototyp für das Schachtkraftwerk in Kirgisistan gefertigt wird. Es soll bis Ende 2023 installiert sein. Mittlerweile liegen bei Global Hydro bereits die ersten Anfragen für Standorte an kleinen Gewässern mit natürlichen Gefällestufen vor. Standorte, an denen mit einem ganz einfachen Gebäudesystem Strom erzeugt werden kann – ohne dass dafür groß in die Umwelt eingegriffen werden muss. Thomas Eder: „Speziell aus dem skandinavischen Raum erreichen uns dazu die ersten konkreten Projektanfragen. Wir glauben, dass wir mit der Kaplan EVO aktuell die richtigen Akzente setzen.“
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