Technik

Mit urner Wasserstoff aus Wasserkraft umweltfreundlich über den Vierwaldstättersee7 min read

3. September 2024, Lesedauer: 6 min

Mit urner Wasserstoff aus Wasserkraft umweltfreundlich über den Vierwaldstättersee7 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Wasserstoff gilt als eine Schlüsseltechnologie für unser Energiesystem von morgen. In der Zentralschweiz soll ab 2026 das erste Wasserstoffschiff am Vierwaldstättersee fahrplanmäßig seinen Betrieb aufnehmen. Angetrieben wird das Schiff mit „grünem“ Wasserstoff, der mit der CO2-freien Energie aus dem Kraftwerk Bürglen von EWA-energieUri hergestellt wird. Die direkt beim Kraftwerk am Eingang des Schächentales situierte Wasserstoffproduktionsanlage gilt als die erste ihrer Art in der Zentralschweiz.

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EWA-energieUri nutzt die Wasserstoff-Produktionsanlage für eine innovative Sektorkopplung. Im sogenannten Hybridwerk werden Strom, Wasserstoff und Wärme/Kälte produziert.
© EWA-energieUri

Wasserstoff (H2) statt Diesel: Ab 2026 wird die MS Saphir als erstes Wasserstoffschiff am Vierwaldstättersee seine Passagierrundfahrten aufnehmen. Umweltfreundlich und frei von klimaschädlichen Abgasen. Zu diesem Zweck rüstet die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) die beliebte Panoramayacht auf den Betrieb mit einer Brennstoffzelle um. Diese wandelt den reaktionsfreudigen Wasserstoff in elektrischen Strom und Wärme um. Der Strom wird über eine Batterie gespeichert, aus der letztlich der elektrische Antrieb für das Passierschiff erfolgt. Als Nebenprodukt der Reaktion in der Brennstoffzelle entsteht lediglich Wasser. Klimafreundlicher könnte ein Schiffsverkehr nicht sein. Der entscheidende Unterschied zu einem batterieelektrischen Fortbewegungsmittel liegt vor allem darin, dass der Strom hier nicht extern zugeführt werden muss, sondern direkt „on board“ in der Brennstoffzelle produziert wird. Auf diese Weise sind deutlich größere Reichweiten möglich.

Ökostrom sorgt für grünen Wasserstoff
Grüner Wasserstoff wird jedoch nicht nur in der Schifffahrt Einzug halten. Er wird eine der Schlüsseltechnologien für das Mammutprogramm Transition der Energiesysteme in den nächsten Jahren werden. Warum das molekulare Gas mit der chemischen Formel H2 den Erwartungen, die man schon lange daran geknüpft hatte, noch nicht gerecht geworden ist, liegt vor allem an der aufwändigen Herstellung. Schließlich handelt es sich dabei nicht um einen Primärenergieträger, der abgebaut und dann einfach verwendet werden kann. Für seine Herstellung muss von extern Energie zugeführt werden. Man nennt diesen Prozess heute im Allgemeinen Power-to-Gas. Basiert das Umwandlungsverfahren auf dem Einsatz von Erdgas, wie das heute häufig der Fall ist, spricht man von „grauem“ Wasserstoff, hierbei fällt klimaschädliches CO2 an. „Grün“ ist er nur dann, wenn die Herstellung per Elektrolyse mittels Ökostrom erfolgt – also mithilfe von Windkraft, Photovoltaik oder Wasserkraft. Auf diese Weise wird ein „grüner“ Brennstoff mit hoher Energiedichte verfügbar, der gerade im Transportwesen, etwa für Lastwagen oder die Schifffahrt, prädestiniert ist. Die Brennstoffzellentechnik für den Mobilitätsbereich ist technisch längst ausgereift.

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Ab 2026 soll die MS Saphir mit Wasserstoff von der EWA-energieUri initiierten H2Uri AG auf dem Vierwaldstättersee unterwegs sein. Der grüne Kraftstoff stammt aus dem Kanton Uri, er wird mithilfe der Energie des Wasserkraftwerks Bürglen erzeugt.
© SGV

Zentrale Bedeutung für die Zukunft
Gleiches gilt für die Speichertechnologie, die allerdings immer noch als eine gewisse technische und wirtschaftliche Herausforderung gilt. In der Regel wird das leicht flüchtige Gas heute in komprimierter Form gelagert, dazu braucht es Drücke bis zu 900 bar. Aber die Speicherfähigkeit ist ein wichtiger Pluspunkt von H2, da sich damit eine saisonale Umlagerung von Elektrizität bewerkstelligen lässt. „Wir sind überzeugt, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff dank seiner Vorteile und dem Beitrag zur Dekarbonisierung in Zukunft steigen wird“, sagt Werner Jauch, Verwaltungsratspräsident der H2Uri AG und ergänzt: „Deshalb planen wir bei unserem Kraftwerk in Bürglen mit der H2Uri AG die erste Wasserstoffproduktionsanlage der Zentralschweiz.“ Neben der EWA-energieUri sind weiters die Axpo, AVIA Schätzle und die SGV an der H2Uri AG beteiligt. Seit 2022 laufen die Planungen für die Wasserstoffproduktionsanlage, die eine Leistung von 2 MW haben wird. Damit ist eine jährliche Produktion von bis zu 260 t grünen Wasserstoff zu erwarten. Die Inbetriebnahme der Anlage ist im zweiten Quartal 2025 geplant.

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Direkt am Standort des Traditionskraftwerks Bürglen am Eingang des Schächentals wird die Wasserstoff-Produktionsanlage mit 2 MW Leistung entstehen. Sie soll voraussichtlich ab Frühling 2025 grünen Wasserstoff liefern.
© EWA-energieUri

Ideale Voraussetzungen für H2-Produktion
Der Standort für die Wasserstofferzeugung ist mit Bedacht gewählt. Schließlich benötigt die Elektrolyse Strom. Die neue Anlage wurde direkt neben dem bestehenden Kraftwerk Bürglen der EWA-energie-Uri situiert, in dem seit Jahrzehnten jede Menge Ökostrom aus der Kraft des Schächenbachs produziert wird. Konkret liefert die 2011 modernisierte und erweiterte Kraftwerksanlage im Regeljahr rund 100 GWh sauberen Strom und kann rund um die Uhr betrieben werden. „Durch die optimale Lage sind baulich nur kleinere Eingriffe nötig – im Gegensatz zu einer Produktionsanlage, für die zuerst ein eigenes Netz aufgebaut werden müsste“, erklärt Thomas Aschwanden, Senior Projektleiter von EWA- energieUri. Wie bei den zuletzt erfolgreich umgesetzten Wasserkraftwerksprojekten übernimmt der Urner Energiedienstleister nun auch bei der innovativen Wasserstoffproduktionsanlage die Gesamtprojektleitung. Dank der langjährigen Erfahrung bei Kraftwerksprojekten kann EWA-energieUri von der Planung über die Projektierung und Realisierung bis zur zukünftigen Betriebs- und Geschäftsführung alle Dienstleistungen aus einer Hand anbieten.

Hybridwerk am Standort Bürglen
Bei allen Vorteilen, die der Energieträger Wasserstoff zu bieten hat, gibt es aber auch eine große Herausforderung: Der Wirkungsgrad bei seiner Herstellung ist nach wie vor verbesserungswürdig. Dessen ist man sich auch bei EWA-energie-Uri bewusst. „Darum haben wir uns intensiv Gedanken gemacht, wie wir den Wirkungsgrad erhöhen können“, erklärt Werner Jauch und ergänzt: „Wir realisieren in Bürglen darum nicht nur eine Wasserstoffproduktionsanlage, sondern koppeln die Sektoren Wärme, Kälte sowie Strom miteinander.“ Auf diese Weise entsteht am Standort Bürglen ein Hybridwerk, in dem zukünftig nach Bedarf Wärme, Kälte und Strom erzeugt werden. Die aus der Wasserstoffproduktion resultierende Wärme und auch die Abwärme aus dem Wasserkraftwerk werden direkt in das Wärmenetz des Nahwärmeverbunds Bürglen eingespeist. „Auf Basis des neuen Konzepts ist somit ein deutlich höherer Wirkungsgrad erreichbar“, betont Thomas Aschwanden. Außerdem wird auf diese Weise auch noch mehr klimaschädliches CO2 eingespart.

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Facetten der Sektorkopplung im Überblick.
© EWA-energieUri

Großer Vorteil: die saisonale Energieumlagerung
Das große Potenzial der Wasserstofftechnologie sehen viele Experten in der Sektorenkopplung, also der intelligenten Verknüpfung der Sektoren Strom, Wärme und Kälte sowie Mobilität über Energiespeicher und Energiewandler. Dank der Speicherfähigkeit von Wasserstoff und der möglichen Rückverstromung der erneuerbaren Energien entsteht ein vielversprechender Ansatz für die saisonale Umlagerung in die Erzeugungsdelle der energiearmen Wintermonate. Auch in Zeiten, in denen volatilere Energieträger, wie Wind und Sonne, kaum Energie liefern, könnte der gespeicherte Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Und auch für den Klimaschutz und die erfolgreiche Dekarbonisierung bietet die Sektorenkopplung großes Potenzial. Gerade wenn man berücksichtigt, dass in der Schweiz die Sektoren Wärme, Kälte und Mobilität im Gegensatz zum weitgehend CO2-freien Stromsektor bislang von fossilen Energieträgern dominiert worden sind. Mobilität und Wärme gelten nach wie vor als die Hauptverantwortlichen für die Schweizer CO2-Emissionen.

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Das Thema Sektorenkopplung wird bei EWA-energieUri bereits seit Jahren konsequent verfolgt. Teil davon sind mit SmartEnergy auch integrierte Gesamtenergielösungen.
© EWA-energieUri

Flexibilisierung der Energieproduktion
Wasserstoff kann neben der saisonalen Umlagerung auch einen Beitrag zur Flexibilisierung der Energieproduktion leisten. Dies ist eine der zentralen Herausforderungen und wird sich weiter verschärfen: Die Dezentralisierung der Produktion – insbesondere durch den grossen Zubau der Photovoltaik – bringt die Stromnetze zunehmend an ihre Grenzen. So könnte bei strahlendem Sommerwetter bald so viel Strom eingespeist werden, dass die bestehenden Netzkapazitäten für diese Produktionsspitzen nicht mehr ausreichen. Hier kann das Wasserstoffprojekt helfen: Es produziert dann Strom, wenn sowieso bereits zu viel Strom vorhanden ist und kann diesen zudem in den Winter umlagern. „Diese Flexibilisierung der Energieproduktion ist für uns aktuell eine der zentralen Aufgaben“, sagt Werner Jauch und ergänzt: „Mit dem Pumpspeicherkraftwerk Isenthal (PSK) und der ersten Urner Batteriegrossspeicheranlage (BESS) bei unserem Kraftwerk Arniberg verfolgen wir aktuell rund um diese Herausforderung noch weitere Projekte.“ EWA-energieUri erweitert mit diesen Projekten auch sein Portfolio rund um Energie- und Kraftwerksdienstleistungen. Sei es für die Kleinwasserkraft, Pumpspeicherkraftwerke, Batteriegrossspeicheranlagen oder die Wasserstoffproduktion: Der Urner Energiedienstleister ist der richtige Ansprechpartner für innovative Projekte. Genau solche Innovationen optimieren das Gesamtenergiesystem weiter und leisten somit einen Beitrag für eine nachhaltige und optimierte Energiezukunft.

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 3/2024

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