Patentierte Quellfrosch Coanda-Wasserfassung überzeugt im praktischen Einsatz4 min read
Lesedauer: 4 MinutenEs gibt nur sehr wenige Hersteller von Coanda-Sieben in Europa. Einer davon ist die Ingenieurfirma Quellfrosch aus dem Schweizer St. Gallen, die das bewährte Coanda-System mit einem neuen Ansatz weiterentwickelt hat. Das von den St. Galler Ingenieuren entwickelte Spaltsieb punktet einerseits mit hoher Robustheit und anderseits mit beeindruckender Effizienz. Letztere verdankt sie den Rundungen der einzelnen Viertelrundprofilen, die eine erhöhte Einzugsgeschwindigkeit des Wassers bewirken. Dieser Umstand ermöglicht eine tiefere Schwellenhöhe als normal und somit mehr Fallhöhe für die Turbine.
Niederscherli bei der Sägerei Blum in Köniz bei Bern: Der Scherlibach tost über eine Schwelle und bildet dabei einen kleinen Wasserfall. Ähnliche Schwellen prägen über ganz Mitteleuropa verteilt die Läufe von kleineren und größeren Bächen. Teils natürlich entstanden, teils künstlich erschaffen, dienten alleine in der Schweiz einst über 8000 solcher Schwellen der Wasserkraftnutzung. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts führte der von den Groß-Wasserkraftwerken produzierte Billigstrom sukzessive zum Rückgang der kleinen wartungsintensiveren Kraftwerke, heute sind davon noch einige hundert in Betrieb. Durch neue, günstigere und vor allem wartungsarme Technologien trauen Fachleute heute der Kleinstwasserkraft in der Schweiz und den umliegenden Ländern im Zeichen der Energiewende eine Renaissance zu. Zu diesen neuen Technologien in der Wasserkraft zählt auch das Coanda-Sieb. An der Schwelle im Scherlibach wurde nun eines vom Typ Quellfrosch eingebaut. Es ist in der Lage, bis zu 300 Liter Wasser pro Sekunde einzuziehen.
Effektiv ohne Elektromechanik
Coanda-Siebe sind Spaltsiebe, die Wasser filtern und das darüber hinwegströmende Wasser aus dem Gewässer entnehmen. Zu diesem Zweck wird die Wasserfassung als Ganzes in den Lauf eines Fließgewässers eingebaut. Bereits in den letzten Jahren zeichnete sich der Trend ab, dass Coanda-Siebe aufgrund ihrer offensichtlichen Vorteile andere Wasserfassungssysteme in ihrem Einsatzgebiet allmählich verdrängen. Ein Coanda braucht keine elektromechanischen Komponenten, da durch den darüber strömenden Wasserschwall das Geschiebe (Laub, Äste, etc.) weggespült wird. Im Gegensatz zu Tirolerwehren oder anderen Gittersystemen besteht keine Verletzungsgefahr für Wassertiere. Die Fischfreundlichkeit des Quellfrosch-Coanda-Siebs konnte im Jahr 2020 die HTW Chur in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich nachweisen.
Breites Einsatzgebiet
Hinzu kommt eine gewisse Winterfestigkeit. Beim Überströmen des Gesamtsystems wird das Wasser über das abgerundete Blech, kurz vor dem eigentlichen Spaltsieb, beschleunigt. Durch die daraus resultierende Geschwindigkeitserhöhung kann in kalten Perioden die Vereisung verhindert werden. Ein kleiner Nachtteil liegt darin, dass für Anlagen mit wenig nutzbarer Fallhöhe, wegen des Höhenverlust über die Schwelle, etwas an Potenzial verlorengeht. Je geringer die Fallhöhe der Anlage, desto stärker fällt die fehlende nutzbare Schwellenhöhe des Coanda-Siebes ins Gewicht. Die minimale Schwellenhöhe von Coanda-Rechen liegt bei 50 cm. Bei einer Anlage mit 5 m Fallhöhe bedeutet das 10 Prozent Leistungsverlust, bereits ab 20 m Fallhöhe ist die Schwellenhöhe des Coanda zunehmend vernachlässigbar. Die Einsatzgebiete von Wasserfassungen mit Coanda-Spaltsieben sind Bäche, kleinere und große Flüsse, sowie auch Abflussstellen von stehenden Gewässern. Ein weiteres Anwendungspotential besteht bei der Filtrierung von Abwasser, das zur Stromerzeugung herangezogen werden soll. Ein erster Test für diesen Zweck wurde bereits 2021/2022 in St. Gallen erfolgreich absolviert.
Überrechen wird obsolet
Das von Quellfrosch weiterentwickelte Spaltsieb ist robust und kann wegen der erhöhten Geschwindigkeit, mit der es das Wasser über die Rundung der einzelnen Viertelrundprofile absaugt, auch bei minimaler Schwellenhöhe seine Hauptfunktion erfüllen: den selbstreinigenden, Wassertiere schonenden Wassereinzug. Ein wesentlicher Unterschied des Quell-frosch Coanda-Siebes gegenüber anderen Produkten sind die Viertelrundprofile. Sie bilden das Spaltsieb und sind mit 5.5 mm Radius verhältnismäßig grob designt. Andere Hersteller verwenden wesentlich dünnere Profilstäbe, wodurch sich auf der aktiven Abflussfläche fast doppelt so viele Spalte wie auf dem Quellfrosch-Sieb ergeben. Zunächst könnte man meinen, dass damit auch doppelt so viel Wasser absaugt würde, doch das trügt. Weil die Rundung des Viertelrundprofils das Wasser über den Spalt zusätzlich beschleunigt, entsteht ein Sog, der eine höhere Abflussmenge pro Spalt bewirkt. Die minimale Schluckmenge pro Quadratmeter Siebfläche beläuft sich auf rund 150 l/s, die feinsten Rechen erreichen max. rund 200 l/s. Ein weiterer Vorteil dieser robusten Viertelrundprofilvariante ist, dass es nicht wie bei den feineren einen groben Überrechen braucht. Besonders bei kleineren Flüssen in Hügelregionen oder vor allem bei Bergbächen müssen die Rechen stein- und holzschlagfest sein. Nebst dem Mehraufwand an Kosten birgt der Überrechen Gefahren für Wassertiere, daher lohnt sich der Einsatz des robusteren Rechens mit den Viertelrundprofilen durchaus: Auch wenn dabei rund 20 Prozent weniger Wasser pro Flächeneinheit abgesaugt werden können, kann im Gegenzug der Rechen einfach etwas größer dimensioniert werden.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 4/2024
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