Projekt Xflex Hydro startet – Wie Europas Energiesysteme von der Wasserkraft profitieren können5 min read
Lesedauer: 4 MinutenDezember 2019 fiel der Startschuss für das Projekt Xflex Hydro. Es handelt sich um eine Initiative führender Energieversorger, Anlagenhersteller, Universitäten, Forschungszentren und Beratungsunternehmen,
die auf eine Laufzeit von vier Jahren angelegt ist. Das erklärte Ziel ist es, die Innovationen und Technologien von Wasserkraftstandorten in ganz Europa vorzustellen und letzten Endes zu zeigen, wie intelligente Wasserkrafttechnologien zu einem emissionsarmen, zuverlässigen und nachhaltigen Energiesystem beitragen können. Das Projektkonsortium besteht aus 19 Mitgliedern, das Projekt wurde aus dem Fonds des „European Union’s Horizon 2020 Research and Innovation Programme“ mit 18 Millionen Euro dotiert.
Der Trend ist eindeutig: Die europäische Stromproduktion wird zusehends nachhaltiger, setzt verstärkt auf den Ausbau erneuerbarer Energien und rückt merkbar von der Stromerzeugung aus fossilen Ressourcen ab. Bis zum Jahr 2030 visiert die EU das Ziel an, 32 Prozent des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen zu beziehen – mit der langfristigen Perspektive einer weiteren, noch drastischeren Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050. Zweifellos wird dies verstärkte Anforderungen an den Wasserkraftsektor nach sich ziehen, der zentrale Dienstleistungen in Form von Spitzen- und Regelenergie bereitstellt. Auf Basis neuer Technologien wird die Wasserkraft verstärkt dazu beitragen, andere erneuerbare Energien zu integrieren. Dies soll einerseits nicht zuletzt die Performance der bestehenden Wasserkraftanlagen maximieren, sondern auch den Zugang in die Energiemärkte der Zukunft sichern. „Indem wir das Know-how und die Erfahrung von 19 Partner aus ganz Europa zusammenführen, soll das Xflex Hydro Projekt größere Flexibilität und Nachhaltigkeit unserer Energiesysteme schaffen. Unser Ziel ist es, das Effizienz-Potenzial der Wasserkraft maximal zu nutzen und dabei zugleich für die Betreiber Optionen zu kreieren, noch erfolgreicher am Strommarkt zu operieren. Auf diese Weise kann Xflex Hydro einen bedeutenden Beitrag zu den Zielen für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa leisten“, erklärte Patrick Child, stellvertretender Generaldirektor für Forschung und Innovation der Europäischen Kommission im Rahmen der Vorstellung des Projektes an der UN-Klimakonferenz in Madrid Anfang Dezember letzten Jahres.
Wasserkraft sichert Netzstabilität
„Das starke Wachstum der erneuerbaren Energie, speziell Windkraft und Solarstrom, führt zu einer nachhaltigen Veränderung, wie unsere Stromnetze betrieben werden. Sie können enormen Einfluss auf die Stabilität und die Sicherheit unserer Netze haben. Das bringt noch nie dagewesene Herausforderungen für die Wasserkraft mit sich“, sagte Prof. Dr. Francois Avellan von École Polytechnique Fédérale de Lausanne, kurz EPFL, die das Projekt in wissenschaftlicher Hinsicht leitet. Natürlich ist man sich dessen bewusst, dass die Wasserkraft dank ihrer systemimmanenten Flexibilität nicht erst seit heute einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität leistet. Doch man will einen Schritt weiter gehen. Im Rahmen des Xflex Hydro soll nun eine Art Flexibilitäts-Matrix geschaffen werden, um die Richtung für die Weiterentwicklung der Wasserkraft vorzugeben, um zu zeigen, welche Art von Technologie implementiert werden muss, um ihr auch alle Optionen für den Zugang zum Energiemarkt zu eröffnen. Darum sollen im Xflex Hydro gleich mehrere innovative Technologien an ausgewählten Kraftwerken unterschiedlicher Bau- und Leistungsgröße demonstriert werden. Einmal in die intelligente Leittechnik des SPPS (Smart Power Plant Supervisor) eingebunden, werden diese Technologien zu einer Verbesserung in Sachen Regelenergieversorgung, aber auch durchschnittliche Effizienz und Verfügbarkeit führen. Den Abschluss des Projekts soll eine Art „Road Map“ für die Einbindung dieser technischen Möglichkeiten im europäischen Kraftwerksverbund bilden. Diese „Road Map“ soll darüber hinaus auch die Herausforderungen herausarbeiten, die damit auf Regierungen, Regulatoren und auf die Industrie zukommen.
Variable Drehzahl am Prüfstand
Konkret geht es darum, in mehreren Kraftwerken unterschiedliche Betriebsweisen zu testen – etwa Anlagen mit variabler Drehzahl mit großem Frequenzumrichter, oder Batterie-Turbine-Hybride, oder auch der erweiterte Einsatz von intelligenten Controllern – den sogenannten „Smart Controls“. Der Betrieb mit variabler Drehzahl etwa ermöglicht eine größere Anpassungsfähigkeit des Kraftwerks an die Netzbedingungen. Pumpturbinen mit variabler Drehzahl in einem Pumpspeicherkraftwerk sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Wasserkraft das Netz stabilisieren und regulieren kann. Vor allem sind sie in der Lage, schneller auf Anforderungen aus dem Netz zu reagieren, effizienter zu arbeiten – und dies sowohl im Pump- als auch im Produktionsmodus. Getestet und demonstriert wird die Technologie im portugiesischen Kraftwerk Frades II, hier kommt eine DFIM (Doppeltgespeiste Asynchronmaschine) zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine Schleifringläufer-Asynchronmaschine mit läuferseitigem Frequenzumrichter zur Regelung der Drehzahl und der Blindleistung. Das Prinzip entstammt der Windkraft und wurde für die Wasserkraft adaptiert. Ein weiterer Testlauf in Sachen „variabler Drehzahl“ läuft außerdem unter Leitung von Alpiq in der Pumpstation Z’Mutt, einem Teil des Grand Dixence-Komplexes im Schweizer Wallis. Zu diesem Zweck hat man Block 5 erneuert, um neue Betriebsarten mit variabler Drehzahl und einem großen Frequenzumrichter zu testen.
Hydraulischer Kurzschluss und Batterie-Hybrid
Eine weitere technische Betriebsvariante, die im Rahmen von Xflex Hydro getestet werden soll, ist der „Hydraulische Kurzschluss“. Das Prinzip des hydraulischen Kurzschlusses wird bei Pumpspeicherkraftwerken angewendet, um neben dem Turbinenbetrieb auch den Pumpbetrieb regelbar zu machen. Pump-Einheiten mit fester Drehzahl sorgen für einen gleichmäßigen Bezug vom Netz, während eine parallele Maschineneinheit Strom erzeugt und damit die Last regelt. Dies ist erforderlich, da Pumpen ja nur den Zustand Ein oder Aus kennen. Diese Technologie soll in ihren verschiedenen Varianten im Kraftwerk Grand Maison (Frankreich), wo eine neue Peltonturbine installiert wurde, getestet und demonstriert werden. Außerdem im portugiesischen Speicherkraftwerk Alqueva, in dem zwei reversible Pump-Turbinen-Einheiten eingebaut sind. Im Kraftwerk Frades II wird das Prinzip des hydraulischen Kurzschlusses anhand von zwei Maschinen mit variabler Drehzahl getestet.
In Kombination mit Wasserkraftturbinen und einem passenden Umrichter können Batterien dazu beitragen die Bereitstellung von Primärfrequenz zu verbessern. Diese technische Option soll im französischen Kraftwerk Vogelgrun, einem Rheinseitenkanal-Kraftwerk mit einer Engpassleistung von 140 MW, getestet werden. Dabei geht es im Wesentlichen um kurzfristige Energiespeicherung und Frequenzregulierung.
Wasserkraft unerlässlich
Eddie Rich, Generaldirektor der International Hydropower Association (IHA), der für die Kommunikationsagenden von Xflex Hydro verantwortlich ist, erklärte in seiner Stellungnahme: „Es bleibt uns keine Wahl. Wir müssen den Energiesektor dekarbonisieren – und das schnell, wenn wir die verheerenden Folgen des Klimawandels noch eingrenzen möchten. Der im letzten Monat erschienene UN Emissions Gap Report ist für mich ein mahnender Hinweis, dass wir die Wasserkraft brauchen, um andere erneuerbare Energie weiter forcieren zu können. Das Xflex Hydro Projekt stellt ein klares Bekenntnis der Europäischen Kommission, den führenden Organisationen des Wasserkraftsektors sowie den akademischen Institutionen die Forschung an neuen, innovativen Wasserkrafttechnologien voranzutreiben.“
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