Südtiroler Wasserkraft-Know-how bringt veraltete Technik wieder auf den neuesten Stand8 min read
Lesedauer: 6 MinutenEs ist zu einem der wichtigsten Themen in der Wasserkraft in Europa und speziell im Alpenraum geworden: Refurbishment von Bestandsanlagen. In Zeiten, in denen Neuprojekte aus diversen Gründen immer schwieriger zu realisieren sind, entfällt ein zunehmend größerer Anteil der Wasserkraftinvestitionen auf die Modernisierung, Sanierung, Optimierung – also auf das Refurbishment. Ein Wasserkraftunternehmen, das seit vielen Jahren auf diesem Sektor einen hervorragenden Ruf genießt, ist das Sterzinger Traditionsunternehmen Troyer. Nicht zuletzt weil die Südtiroler als Water-to-Wire-Anbieter über das Know-how und die technischen Möglichkeiten verfügen, sowohl die elektro- und leittechnische, als auch die elektromechanische Seite zur Gänze abzu-
decken. Ihre Referenzliste spricht Bände.
Um 1900 wurden die ersten Groß-Wasserkraftwerke gebaut, damals reichte für diese Kategorie bereits eine Kapazität von über 10 MW Leistung. Die meisten dieser Pionierkraftwerke sind mittlerweile durch moderne Nachfolgeanlagen ersetzt oder dienen musealen Zwecken. Aber eine erkleckliche Anzahl von Kraftwerken, die älter als 50 oder 60 Jahren ist, arbeitet immer noch mit originaler Technik und produziert Tag für Tag Energie. Manche davon haben bereits das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht und müssen saniert werden. Allerdings ist nicht das Alter alleine der ausschlaggebende Grund für ein Refurbishment-Projekt. Gerade auch geänderte Rahmenbedingungen können eine Anpassung erforderlich machen. Dies trifft vor allem auf Anlagen zu, die noch gemäß einer alten Wasserkonzession ausgelegt sind und heute, in Zeiten von rigiden Restwasservorgaben, eindeutig überdimensioniert sind und somit suboptimal arbeiten. Hinzu kommen noch andere Gründe, wie etwa Kavitationsschäden oder Schwingungsprobleme, die eine technische Adaptierung notwendig machen.
Revitalisierungsdruck nimmt zu
Auf einen reichen Erfahrungsschatz in Sachen Revitalisierung kann der Wasserkraftallrounder Troyer aus Sterzing zurückgreifen. Seit vielen Jahren stehen bei den Südtirolern Sanierungen und Erneuerungen ebenso am Terminplan wie Neubauprojekte. Nicht zuletzt deshalb hat das Südtiroler Traditionsunternehmen mit seiner Abteilung Service hausintern auch eine eigene Mannschaft für diesen Bereich installiert. „Unser Service-Team, das seit 2012 besteht, bezieht sein Know-how und die große Erfahrung unter anderem aus Wartungs- und Service-Arbeiten und diversen Reparaturen, die wir vom Alpenraum, Skandinavien bis nach Südamerika durchgeführt haben – und natürlich aus dem Bereich Refurbishment, der zusehends stärker wird“, erklärt Philipp Braunhofer, Leiter des Bereichs Service bei der Troyer AG. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass viele ältere Anlagen nach und nach in die Jahre kommen und der Revitalisierungsdruck steige.
Mehr Output mit neuem Laufraddesign
Generell umfassen Retrofit-Maßnahmen ein sehr weites Feld: Von Reglern und Generatoren über Dichtungen, Lager, Hydraulik und Leitapparate bis hin zu den Laufrädern reichen die Sanierungsmaßnahmen am elektromechanischen Teil einer Wasserkraftanlage. Warum sich dabei oft weit mehr erzielen lässt als nur eine Verbesserung des Ist-Zustands, hat mehrere Gründe: Zum einen sind innovative Wasserkraftunternehmen wie die Troyer AG heute in der Lage, modernste Laufrad- und Schaufeldesigns anzubieten, die auf Basis neuer Auslegungs-Tools sowie von CFD-Berechnungen – also numerischer Strömungssimulationen – optimiert werden. Damit ist gesichert, dass Effizienz und Betriebsverhalten markant verbessert werden. Zum anderen kann dabei auf modernste Herstellungsverfahren und bewährte Materialien zurückgegriffen werden. Dass im Umgang mit alter Maschinentechnik Fingerspitzengefühl und viel Erfahrung unabdingbar sind, daran zweifelt Philipp Braunhofer kein bisschen: „Es kann schon schwierig werden, wenn von alten Maschinen keine Dokumentationen mehr existieren. In diesem Fall werden sie in ihre Einzelteile zerlegt, präzise vermessen und danach wird auf dieser Basis eine neue Konstruktionszeichnung erstellt.“
Wo am meisten zu holen ist
Der Modernisierungsbedarf bei bestehenden Anlagen beschränkt sich aber keineswegs auf die elektromechanische Ausrüstung. Mindestens ebenso wichtig ist heute der Bereich Automation und Steuerung. „Viele Kraftwerke kann man heute immer noch nur vor Ort steuern. Manchen fehlt ein Alarmierungssystem, anderen die Möglichkeit auf einen Fernzugriff. Wieder andere arbeiten immer noch mit analogen Wasserstandsregelungen. Das alles ist nicht mehr zeitgemäß – und vor allem läuft der Kraftwerksbetrieb damit suboptimal“, erklärt Dipl.-Ing. Philipp March, Abteilungsleiter Automation bei der Troyer AG. Er ist überzeugt: „Im Bereich Steuerung und Automation ist eindeutig das größte Potenzial zu heben.“ Aus der langjährigen Erfahrung der Service-Abteilung der Troyer AG kennt man zahlreiche Fälle, bei denen alleine durch den Austausch der Turbinensteuerung eine Produktionssteigerung von über 20 Prozent erzielt werden konnte. Entscheidend ist dabei, dass die Wirkungsgradkurve der neuen Turbine an das faktische Triebwasserangebot angepasst wird. Oder – sollten mehrere Turbinen installiert sein – dass die jeweiligen Umschalt- und Betriebspunkte dieser einzelnen Maschinen auf die jeweiligen Bestpunkte abgestimmt werden. Dabei schaut man heute nicht nur auf die Performance der Maschine, sondern natürlich auch auf andere Anforderungen. Schließlich müssen Kraftwerke heute im Hinblick auf Netzregelungsvorgänge flexibler regelbar sein. Das heißt, dass sie häufig konkret für einen anspruchsvollen Stopp- und Go-Betrieb angepasst werden müssen.
Visualisierung erleichtert Betrieb
In diesem Zusammenhang kommt dem Steuerungs- und Visualisierungssystem ebenfalls eine zentrale Rolle zu. Als Water-to-Wire-Spezialist ist Troyer ein Gesamtlieferant, der neben den Turbinen auch das Visualisierungssystem, die Steuerungssoftware, oder auch die Steuerschränke liefert. Das ermöglicht dem Service-Team in enger Abstimmung mit der Abteilung Automation, optimal angepasste Lösungen für diesen Bereich ohne Schnittstellenprobleme zu erarbeiten – und damit auch alten Kraftwerken den Sprung in die Neuzeit der Wasserkraft zu ermöglichen. Dabei bietet Troyer ihr sehr ausgereiftes Visualisierungssystem in modular erweiterbaren Varianten, was eine hohe Flexibilität garantiert und alle Optionen für ein perfekt an die Kundenwünsche angepasstes System offenhält. „Je nach Kundenwunsch, Ausstattungsmerkmalen und Komplexität der Anlage können wir das Visulisierungssystem skalieren. Um eine maximale Benutzerfreundlichkeit garantieren zu können, ist für uns das Gespräch mit dem Kunden im Vorfeld von größter Bedeutung“, erklärt Philipp March. Auf Wunsch und bei Bedarf werden Lösungen angeboten, die es möglich machen, auch große Datenmengen zu archivieren und diese auch für weiterführende Analysen verfügbar zu machen. Zudem spielt heute natürlich auch die Fernbedienbarkeit eine große Rolle. Nur wenige Betreiber können und wollen darauf heute noch verzichten. Hinzu kommen Features, wie Einbindung von Kamerabildern, Mehrsprachenfunktionen, oder Alarmierungen. In Zeiten des Smartphones wollen Betreiber natürlich in Echtzeit die wesentlichen Parameter ihres Kraftwerks auch am Handy dargestellt haben. Mit der „WebApp“ von der Troyer AG wird dafür eine mobile, standort- und hardwareunabhängige Lösung angeboten.
Alles Neu im Murgtal
Die Referenzliste für gelungene Revitalisierungsprojekte ist bei der Firma Troyer lang. Welchen Vorteil etwa ein Wechsel von einer alten Francis- zu einer modernen Peltonturbine bringen kann, zeigte sich bei einem Refurbishment-Projekt im Schweizer Murgtal. Im Auftrag des EW Murg führte die Troyer AG am Kleinkraftwerk Merlen vor einigen Jahren eine Kompletterneuerung des Maschinensatzes durch, lieferte und installierte eine moderne 6-düsige Peltonturbine anstelle der bestehenden Francisturbine, die 1948 ihren Betrieb aufgenommen hatte. Während die Fallhöhe praktisch unverändert blieb, konnte die Ausbauwassermenge moderat um 175 l/s erhöht werden. Alleine dieser geringfügige Ausbau ermöglichte in Verbindung mit der innovativen Wasserkrafttechnik des Südtiroler Branchenspezialisten eine Leitungssteigerung von 28 Prozent. Die Jahresstromerzeugung konnte letztlich auch um ein Fünftel gegenüber dem Altbestand gesteigert werden, was natürlich einerseits auf das deutlich bessere Teillastverhalten der Peltonturbine sowie auf die verbesserte Anlagenverfügbarkeit zurückzuführen ist. Sehr zur Zufriedenheit des Betreibers.
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Projekt für erhöhte Verfügbarkeit
Zufrieden zeigte sich auch ein anderer Schweizer Kraftwerksbetreiber nach einem weiteren erfolgreichen Retrofitprogramm: Vor drei Jahren führte das Team der Troyer AG eine umfassende Maschinensanierung am Turbinensatz des Kraftwerks Madulain im Kanton Graubünden durch – und konnte dabei sämtliche Register eines Sanierungsprojektes ziehen. Das Kraftwerk, das von der Repower AG betrieben wird, gilt als echte Traditionsanlage, die 1903 errichtet und zuletzt 1979/80 umgebaut und saniert worden war. Sie weist ein Regelarbeitsvermögen von 1,37 GWh auf, ein Wert, der aber in den letzten Jahren vor 2020 immer seltener erreicht wurde, da die Anlagenverfügbarkeit zu wünschen übrig ließ. Dem lagen technische Gebrechen und damit verbundene Betriebsausfälle zu Grunde. In der Folge wurde die Troyer AG mit der Sanierung von Turbine, Einlauf und Hosenrohr beauftragt, die selbige im Werk in Sterzing nach allen Regeln der Refurbishment-Kunst wieder in Quasi-Neuzustand versetzte. Zusätzlich wurden der Korrosionsschutz am Turbinengehäuse erneuert, sowie ein neues Hydraulikaggregat für die Düsenregelung eingebaut. Letztlich sollte diese Sanierung – erwartungsgemäß – keine Leistungssteigerung bringen, sie verhalf dem Traditionskraftwerk allerdings zu einer optimierten Anlagenverfügbarkeit, was sich selbstverständlich über die gesamte Konzessionsdauer für den Betreiber wirtschaftlich bemerkbar macht.
Verjüngungskur im Schwarzwald
Eine wahre Verjüngungskur erfuhr vor einigen Jahren auch das Schwarzwälder Traditionskraftwerk Mambach, das ursprünglich aus den späten 1890er Jahre datiert und heute von der naturenergie hochrhein AG (vormals Energiedienst AG) betrieben wird. In diesem Fall wurde die Troyer AG damit beauftragt, die beiden betagten Francis-Turbinen durch zwei moderne Francis-Spiralturbinen zu ersetzen. Was bei diesem Auftrag auch mitspielte, war die Tatsache, dass auf das denkmalgeschützte Ensemble Bedacht genommen werden musste. Das heißt: Baulich waren keine großen Veränderungen möglich. Dennoch galt es, die sehr wartungsintensiven alten Maschinen gegen hochwertige neue zu tauschen und zudem eine neue Steuerungs- und Automatisierungstechnik zu implementieren. Nach rund fünf Monaten für Bau-, Montage- und Inbetriebsetzungsarbeiten konnte das erneuerte Kraftwerk Mambach erstmals wieder ans Netz synchronisieren. Die erzielten Verbesserungen gegenüber dem Altbestand sind mehr als bemerkenswert. Ohne Erhöhung von Gefälle oder Ausbauwassermenge konnte die Leistung der Anlage gegenüber dem Altbestand um rund 20 Prozent gesteigert werden, was neben der modernen Turbinentechnik auch auf eine hydraulische Optimierung hinsichtlich Turbinenanordnung und Zulaufrohr zurückzuführen ist. Der Referenzfall aus dem Schwarzwald zeigt ganz klar: Mit dem richtigen Partner an der Seite zahlt sich Refurbishment aus.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 6/2023
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