Technik

Wasserfassung Vallember mit längstem Coanda-System der Schweiz ausgerüstet8 min read

10. Juli 2023, Lesedauer: 6 min

Wasserfassung Vallember mit längstem Coanda-System der Schweiz ausgerüstet8 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Die zu einem mehrstufigen Anlagenverbund gehörende Wasserfassung Vallember wurde im Vorjahr von der Betreibergesellschaft Engadiner Kraftwerke AG (EKW) umfassend erneuert. Für die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit wurde die 1970 in der Gemeinde Schanf in Betrieb genommene Wasserfassung um eine Fischaufstiegsanlage ergänzt. Darüber hinaus wurde das Bauwerk mit dem nahezu komplett selbstreinigenden Coanda-System „Grizzly Power Optimus“ von der Südtiroler Wild Metal GmbH ausgestattet. Die aus insgesamt 20 Elementen zusammengefügte Rechenfläche stellt mit einer Länge von ca. 23 m das bislang längste Coanda-System in der Schweiz dar. Neben der Ausleitung von bis zu 6.000 l/s Triebwasser gewährleistet der „Rekord-Coanda“ auch den Fischen eine sichere Abstiegsmöglichkeit in den Unterwasserbereich der Wehranlage.

WF Vallember Coanda-Rechen
Mit den insgesamt 20 Coanda-Elementen des Systems„Grizzly Power Optimus“ werden bis zu 6.000 l/s Ausbauwassermenge zuverlässig von Kies und Geschwemmsel gereinigt.

Mit einer durchschnittlichen Jahreserzeugung von ca. 1.400 GWh Öko­strom­­ zählt die Engadiner Kraftwerke­ AG (EKW) zu den zehn größten Stromproduzenten der Schweiz. An der partnerschaftlich orientierten Aktiengesellschaft sind die großen Schweizer Energieversorger wie BKW, Alpiq, Axpo und CKW ebenso beteiligt wie der Kanton Graubünden und mehrere Gemeinden. Den Hauptanteil ihrer Stromproduktion erzeugt EKW mit dem Pump­speicherkraftwerk Ova Spin und den beiden Speicherkraftwerken Pradella und Martina im Engadin, die über Freispiegel- und Druckstollen miteinander verbunden sind. Gemeinsam verfügen die Anlagen mit ihren insgesamt 13 Maschinengruppen ­inklusive fünf Dotier-Turbinen über eine Leistungskapazität von 412 MW. Darüber hinaus ist EKW mit 14 Prozent am grenzüberschreitenden Gemeinschaftskraftwerk Inn (GKI) beteiligt, das 2022 den Betrieb aufgenommen hat.

Drei Wasserfassungen saniert
Die oberste Stufe des dreiteiligen Anlagenverbunds ist das Pumpspeicherkraftwerk Ova Spin, dessen Triebwasser vom Stausee Livignio sowie insgesamt vier Wasserfassungen stammt. Mit Ausnahme der Fassung Tantermozza, die bereits zuvor saniert worden war, wurden die drei Fassungen S-chanf, Varusch und Vallember ab dem Frühjahr 2020 einer umfassenden Erneuerung unterzogen. Die drei Wasserfassungen auf dem Gemeindegebiet von S-chanf gingen 1970 in Betrieb und wiesen teilweise dringenden Sanierungsbedarf auf. Bei allen Fassungen wurden die Hydraulikanlagen erneuert, die für die Steuerung der verschiedenen Regel- und Absperrklappen sorgen. Zusätzlich wurden diverse Schutzrechen, die dazugehörige Rechenreinigungsmaschine sowie die bauliche Infrastruktur ersetzt, erneuert oder saniert. Ebenfalls modernisiert wurde das elektrotechnische Equipment zur Steuerung und Regulierung der Anlagen. „Die Sanierung der drei Wasserfassungen war schon seit mehreren Jahren geplant, wurde aber unter anderem wegen personeller Ressourcen aufgeschoben. Mit der finalen behördlichen Genehmigung im Frühjahr 2020 war der Weg frei für die Projektdurchführung“, sagt EKW-Projektleiter Curdin Barblan. Um den Wasserverlust und die damit einhergehenden Produktionseinbußen der Kraftwerke während der Bauphase möglichst gering zu halten, wurden die Arbeiten an den drei Standorten zeitlich gestaffelt durchgeführt. An der Wasserfassung Vallember am gleichnamigen Gewässer stand neben der Erneuerung der baulich-technischen Infrastruktur auch die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit auf dem Programm.

Wasserverlust minimiert
Die Generalplanung für die Sanierung der Wasserfassung Vallember wurde vom eigenen technischen Büro der EKW durchgeführt. Einen gewichtigen Anteil an den Planungsarbeiten hatte zudem das zur Schweizer Pini Gruppe gehörende Ingenieurbüro Straub AG. Das im Wasserkraftbereich vielfach bewährte Unternehmen war im Projektvorfeld für die Analyse des Ist-Zustandes und das Aufzeigen von Defiziten zuständig. Weiters führte die Straub AG ein Variantenstudium durch und sorgte für die Ausarbeitung der Bestvariante zu einem Ausführungsprojekt und realisierte dieses als Bauleitung. Den Auftrag zur Umsetzung der kompletten Bauarbeiten erteilte EKW der im Engadiner Pontresina ansässigen Costa AG. „Der zeitliche Aspekt war eine wesentliche Herausforderung des Projekts. Die Arbeiten sollten innerhalb einer Bausaison abgeschlossen werden, um den Wasserverlust auf ein Minimum zu begrenzen. Die notwendige Umleitung des Gewässers orientierte sich dabei an den jeweiligen Baufortschritten. Anstelle einer einzelnen großen Umleitung wurde eine Variante mit drei kleineren Umleitungen angewandt, die sehr gut funktioniert hat“, erklärt Curdin Barblan.

WF Vallember Coanda-Rechen
Blick von unten auf das mit 0,6 mm Spaltweite ausgeführte Feinsieb des Coanda-Systems, das auch den Fischen eine sichere Abstiegsmöglichkeit ins Unterwasser gewährleistet.

Coanda-System mit Überlänge
Das grundlegende Funktionsprinzip mit der seitlichen Entnahme des Triebwassers blieb auch nach der Sanierung der Wasserfassung erhalten. Vor dem Umbau wurde das Wasser zunächst durch einen Grobrechen geleitet und lief danach weiter in ein Entsanderbecken. Vom Entsander strömte das Wasser über eine Überfallkante in ein Tosbecken und floss im Anschluss zum Stollen, der zur zentralen Wasserfassung S-chanf führt. Beim Umbau wurden der Grobrechen und die Überfallkante entfernt und längsseitig in der Mitte des Entsanderbeckens eine Trennwand hochgezogen. Das Triebwasser strömt nun über die Trennwand durch einen Coanda-Rechen, wird danach in einem Trog gefasst und erreicht am Ende des Bauwerks das bestehende Tosbecken, von welchem es schließlich in den Stollen fließt. Geliefert wurde das Coanda-System „Grizzly Power Optimus“ vom Südtiroler Branchenexperten Wild Metal. Bei dem patentierten System handelt es sich um ein nahezu selbstreinigendes Schutzsieb für Wasserfassungen, das sowohl für den Einsatz im Wasserkraftbereich als auch für Trinkwasser- oder Fischzuchtanlagen geeignet ist. Durch den namensgebenden Coanda-Effekt wird Geschwemmsel ohne zusätzliche Komponenten automatisch von der Feinrechenfläche gespült, der Sandeintrag in die Wasserfassung wird durch die äußerst geringe Spaltweite auf ein Minimum reduziert. Bei der Fertigung seiner Grizzly-Serie setzt Wild Metal auf den Edelstahl Inodur, der höchste Abriebbeständigkeit garantiert. Für die Wasserfassung Vallember lieferten die Südtiroler insgesamt 20 miteinander kombinierte Coanda-Elemente, die mit einer Gesamtänge von ca. 23 m das längste Coanda-System in der Schweiz bilden. Die mit 15 mm starkem Hardox-Stahl hergestellte Panzerung des Ausleitungstrogs zählte ebenfalls zum Auftragsvolumen von Wild Metal.

Vertical-Slot-Pass als Fischaufstieg
Der Grizzly, dessen Feinsieb mit einer Spaltweite von 0,6 mm ausgeführt wurde, bietet den Fischen gleichzeitig eine Abstiegsmöglichkeit in den Unterwasserbereich der Wehranlage, erklärt Curdin Barblan: „Die Fische überqueren die Trennwand im Entsander und gelangen über die Rechenfläche in den Trog, der sie sicher ins Unterwasser führt. Wegen der beträchtlichen Länge des Entsanderbeckens musste eine Lösung erarbeitet werden, die eine konstante Überströmung der Trennwand gewährleistet. Dazu kommen vier kleinere und vier größere Regelklappen entlang des Entsanders zum Einsatz, die für einen konstanten Wasserpegel im Oberwasserbereich sorgen, und den Fischen somit eine ausreichend große Übergangfläche zum Coanda-System bieten.“ Mit den ebenfalls im Wild Metal-Lieferumfang enthaltenen Klappen wird gleichzeitig die optimale Wassereinzugsmenge eingestellt, so Curdin Barblan: „Wenn mehr als 6.000 l/s eingezogen würden, würde dies die Durchflusskapazität des Stollens übersteigen und somit einen unerwünschten Rückstau bewirken. Durch die Regelklappen kann bei zu hohen Zuflüssen das überschüssige Wasser ins Bachbett abgegeben werden.“ Als Fischaufstieg wurde ein technischer Vertical-Slot-Pass aus Betonelementen errichtet, der aus insgesamt 23 Becken besteht. Nach dem Einstieg im Unterwasserbereich schwimmen die Fische zunächst durch ein ca. 15 m langes Stahlrohr, das unterhalb der Wehranlage zum ersten Becken führt. Während der Herbst- und Wintermonate wird der Fischaufstieg mit der Restwasserabgabe von 200 l/s dotiert, im Frühling und Sommer beträgt die vorgeschriebene Restwassermenge 400 l/s. Das zusätzliche Restwasser wird durch eine eigene Rohrleitung in den untersten Bereich des Fischaufstiegs abgegeben. Somit entsteht im Unterwasser keine zu hohe Strömungsgeschwindigkeit, die für schwimmschwächere Fischarten ein Hindernis darstellen würde.

Wasserfassung Vallember Fischaufstieg
Für den Fischaufstieg an der Wasserfassung wurde ein aus 23 Becken bestehender Vertical-Slot-Pass errichtet. Das Monitoring der Fischaufstiegsanlage beginnt im Mai 2023.

Positive Betriebserfahrungen
Neben der Herstellung der Fischdurchgängigkeit und dem Einbau des Coanda-Systems wurden im Zuge des Projekts auch die bestehenden Stahlwasserbaukomponenten wie das Wehrsegment, der Spülschütz, die Einlaufklappe und der Grundablassschütz einer Sanierung unterzogen. Durchgeführt wurden die Revitalisierungen von der Schweizer Fäh Maschinen- und Anlagenbau AG. Die Umsetzungsphase des Projekts startete Mitte März des Vorjahres, bereits im November konnten die sanierte Wasserfassung und der Fischaufstieg in Betrieb genommen werden. „Die Bauarbeiten waren mit mehreren Herausforderungen verbunden. Wir wussten durch Probebohrungen, dass wir es mit einer Frosttiefe von ca. 2,30 m zu tun hatten, was die Arbeiten natürlich erschwerte. So dauerte das Einschlagen der Spundwände zwei Wochen länger als veranschlagt. Zusätzlich waren hohe Baugrubenabsicherungen notwendig. Auch die Pläne des bestehenden Bauwerks standen nicht in der notwenigen Qualität zur Verfügung. Es war beispielsweise nicht bekannt, wie der untere Teil des Entsanders ausgebildet ist. Da dessen Bodenelement komplett durchbetoniert war, gestaltete sich der notwendige Rückbau für das Hochziehen der neuen Trennwand extrem aufwändig. Mittels Seilschnitttechnik musste ein über 27 m langer Betonblock herausgeschnitten werden. Grundsätzlich handelte es sich um ein forderndes, gleichzeitig aber auch sehr interessantes Projekt, das zu einem erfolgreichen Ende geführt werden konnte“, bekräftigt Curdin Barblan. Aktuell ist man an der Wasserfassung noch mit diversen Restarbeiten wie der Rekultivierung der Installationsplätze und dem Aufstellen von Sicherheitsumzäunungen beschäftigt. Das Monitoring zur Wirkungskontrolle des Fischaufstiegs startet im Mai und wird sich über die Sommermonate hinweg erstrecken. Bei EKW ist man guter Dinge, dass das Monitoring ein positives Ergebnis bringen wird. Die ersten Betriebserfahrungen zeigen bereits, dass der Fischaufstieg von den Gewässerbewohner gut angenommen wird.

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